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Sicherheit im NotfallWarum das Einschlagen von Scheiben problematisch ist

Lesezeit 4 Minuten
Fällt an heißen Tagen die Klimaanlage im Zug aus, sollte umgehend das Zugpersonal kontaktiert werden.

Fällt an heißen Tagen die Klimaanlage im Zug aus, sollte umgehend das Zugpersonal kontaktiert werden.

Probleme mit Zugklimatisierung haben abgenommen, doch Technikdefekte sind möglich. Fahrgäste sollten sich an das Zugpersonal wenden.

An heißen Tagen kann es schnell sehr unangenehm werden, wenn die Klimaanlage in einem Zug nicht funktioniert oder komplett ausfällt. In solchen Fällen rät Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn den Reisenden, sofort das Zugpersonal auf das Problem aufmerksam zu machen.

Kommunikation mit dem Zugpersonal

Viele Züge sind mit Sprechanlagen ausgestattet, über die man direkt den Triebfahrzeugführer kontaktieren kann. Dies ist besonders praktisch bei Regional- oder S-Bahnen, deren Wagen oft getrennt gekoppelt sind. So lässt sich das Problem schnell melden.

Laut Naumann ist es entscheidend, dass das Zugpersonal sofort reagiert. Häufig kann bereits durch eine Anpassung der Klimaanlageneinstellungen eine Verbesserung erreicht werden.

Ein aktueller Vorfall zeigt, wie dramatisch die Situation werden kann: Am Dienstag, den 01.07 mussten 48 Fahrgäste einer Nordwestbahn bei Elsfleth (Niedersachsen) mehr als zweieinhalb Stunden in einem Zug ausharren, der aufgrund eines technischen Defekts auf einer Eisenbahnbrücke stehen blieb.

Die Regionalbahn kam zum Stillstand, und durch den Defekt funktionierte die Klimaanlage nur noch eingeschränkt. Bei den sommerlichen Temperaturen wurde es für die Passagiere zunehmend unerträglich heiß. Einige von ihnen entschlossen sich schließlich, den Notruf zu wählen.

Daraufhin rückten sowohl Landes- als auch Bundespolizei an, begleitet von neun Rettungswagen und vier Notärzten, um die Fahrgäste zu evakuieren und medizinisch zu versorgen. 

Wann der Zug geräumt wird

Kommt es zu größeren technischen Störungen, wird in der Regel versucht, den Zug zum nächsten Bahnhof zu bringen, um dort die Fahrgäste aussteigen zu lassen. Bei Fernzügen wie ICE oder IC ist es oft nur notwendig, den betroffenen Wagen zu evakuieren, erklärt Naumann. Die Passagiere werden dann auf die klimatisierten Wagen verteilt.

Besonders problematisch wird es, wenn der Zug unterwegs stehen bleibt und die Klimaanlage gleichzeitig ausfällt. Naumann bezeichnet eine solche Situation als „großen Albtraum“. Eine Evakuierung auf freier Strecke gestaltet sich dann sehr schwierig.

Gefahren bei einem Halt auf freier Strecke

Bei zweigleisigen Strecken besteht die Gefahr, dass entgegenkommende Züge aussteigende Fahrgäste gefährden könnten, so der Experte. Aber auch auf eingleisigen Abschnitten sind Risiken vorhanden – etwa durch den großen Höhenunterschied zwischen Zug und Boden, weil kein Bahnsteig vorhanden ist.

Aus diesem Grund müssen Bahnbetreiber schnell die Polizei und Feuerwehr hinzuziehen, damit Einsatzkräfte die Räumung des Zuges unterstützen können, so Naumann.

Notruf als letzte Möglichkeit

Wenn die Temperaturen steigen und die Luft im Zug stickig wird, melden erste Fahrgäste oft gesundheitliche Beschwerden. Falls das Zugpersonal nicht erreichbar ist, empfiehlt Naumann als letzte Möglichkeit den Notruf zu wählen. Was das Einschlagen von Fensterscheiben angeht, sagt er: „Das ist eigentlich nicht erlaubt, aber manchmal bleibt keine andere Wahl.“

Warum das Einschlagen juristisch problematisch ist

Der Rechtsanwalt Philipp Gehrmann warnt vor dem Einschlagen der Zugfenster. Zwar gilt in extremen Notfällen das sogenannte Notstandsrecht, das die Beschädigung fremden Eigentums erlaubt, wenn Leib und Leben in Gefahr sind.

Ein klassisches Beispiel dafür ist das Einschlagen einer Autoscheibe, wenn sich darin ein hilfloses Kind in großer Hitze befindet.

Dieses Szenario lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf den Zug übertragen, erklärt Gehrmann, der im Deutschen Anwaltverein im Ausschuss für Strafrecht tätig ist.

Andere Möglichkeiten, sich zu befreien

Im Zug sei in der Regel Personal anwesend, das die Türen von innen öffnen kann. Zudem sind oft Türnotöffnungen installiert, die Fahrgäste in Notfällen selbst auslösen können.

Das gewaltsame Zerstören von Fensterscheiben ohne vorherige Nutzung dieser Möglichkeiten könne als Sachbeschädigung gewertet werden und sogar als gefährlicher Eingriff in den Schienenverkehr, warnt der Anwalt. Er rät deshalb, im Notfall lieber die Polizei zu verständigen.

Verbesserte Klimaanlagen, aber Defekte bleiben möglich

Nach Einschätzung von Pro-Bahn-Experte Naumann sind Ausfälle der Klimaanlagen in Zügen in den letzten Jahren deutlich seltener geworden. Viele neuere Züge verfügen über leistungsfähige Klimasysteme. Trotzdem kann Technik immer einmal versagen, weshalb Probleme nie ganz auszuschließen sind.

Wie die Deutsche Bahn die Temperaturen reguliert

Laut einem Sprecher der Deutschen Bahn können Reisende sich bei hohen Temperaturen jederzeit an das Zugpersonal wenden. In den Fernverkehrszügen wird eine Grundtemperatur von 23 Grad Celsius eingehalten. Je nach Bedarf kann diese um bis zu zwei Grad nach oben oder unten angepasst werden.

Im Sommer ist die Klimaanlage manchmal so eingestellt, dass die Temperatur auf etwa 25 Grad Celsius gehalten wird. Dies spart Energie und verhindert, dass Fahrgäste beim Einsteigen von draußen zu stark auskühlen.

Wasser und Informationen bei Klimaanlagen-Ausfall

Fällt die Klimaanlage in einem ICE oder IC aus, sind stets ausreichend Wasservorräte an Bord, die verteilt werden können, so der Bahnsprecher. Zudem werden Wagen mit defekter Klimatisierung in der App „DB Navigator“ sowie auf bahn.de angezeigt, damit Fahrgäste sich rechtzeitig informieren können.

Nach Angaben von Karl-Peter Naumann gelten bei notwendigen Wagenwechseln wegen defekter Klimaanlage die üblichen Fahrgastrechte als zumutbar. Sollte der Zug durch den Defekt nicht weiterfahren können und sich dadurch verspätet, haben Reisende Anspruch auf Entschädigung.

Ab einer Stunde Verspätung gibt es 25 Prozent des Fahrpreises zurück, ab zwei Stunden sogar 50 Prozent. Eine Ausnahme gilt nur, wenn etwa ein Brand an der Strecke die Verspätung verursacht – ein Klimaanlagenfehler zählt nicht als höhere Gewalt. (dpa)