Am zweiten Tag fließen im Kölner Landgericht 20.000 Euro als Wiedergutmachung für mehr als eine halbe Million Euro Schaden.
BetrugsprozessOpfer bekommen Bargeld von der Leverkusener Großfamilie

Im Saal B des Kölner Landgerichts war Montag Zahltag: Zwei Angeklagte aus der Leverkusener Großfamilie übergaben zwei Opfern nach deren Zeugenaussage jeweils 5000 Euro, in Summe also 20.000. Weiteres Geld soll fließen.
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Es ist Zahltag am Kölner Landgericht. Nur, dass die insgesamt 20.000 Euro, die vier Mitglieder des Leverkusener Roma-Clans am Montagvormittag im Betrugsprozess gegen sie den Opfern übergeben lassen, bei weitem nicht dem entstandenen Schaden entsprechen. Mehr als eine halbe Million Euro haben ihnen die vier Männer abgenommen.
Am härtesten traf es einen alten Mann aus Kerpen sowie einen heute 92 Jahre alten früheren Zahnarzt, der unweit des Kölner Zoos wohnt. Jeweils rund eine Viertelmillion Euro luchsten die Leverkusener ihnen mit Varianten des Teppich-Tricks ab. Eine heute 73 Jahre alte frühere Dozentin der Kölner Musikhochschule gab den Männern aus der Großfamilie zwar „nur“ 38.000 Euro – allerdings brachte sie 24.000 Euro nur zusammen, weil sie einen Kredit aufgenommen hatte.
Die in Bonn lebende, seit neun Jahren verwitwete Frau aus Neuseeland ist heute noch fassungslos, versteht sich selbst nicht: „Wenn ich das heute erzähle, komme ich mir ganz dumm vor“, sagt sie vor der 3. Großen Strafkammer. Stefan Kloke, der Vorsitzende Richter, tröstet sie: „Es sind viele Menschen hereingefallen.“
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Teppich-Trick in der Leverkusener Variante
So ist es: Seit Jahren stehen immer wieder Mitglieder der Leverkusener Großfamilie wegen Betrügereien in großem Maßstab vor Gericht und werden verurteilt. Auch in diesem Prozess zeigt sich eine gewisse Routine: Es gibt inzwischen drei Geständnisse, die Angeklagten berichten zusammenhängend und schlüssig, wie sie ihre Opfer fanden und wie sie sich ihnen näherten.
Der Tatkomplex aus den Jahren 2020 bis 2022 hat insofern etwas Besonderes, weil Senioren Opfer wurden, die Jahre vorher auf Reisen in die Türkei Teppiche und Schmuck erworben hatten. Eine Liste mit deren Adressen hatten die Leverkusener gekauft. So war es weniger aufwendig als sonst, mutmaßlich gutsituierte Senioren zu kontaktieren. Das geschah immer zunächst telefonisch. Und unter falschem Namen. Auch an den Geschichten, die den späteren Betrugsopfern aufgetischt wurden, stimmte so gut wie nichts. Immer war von Problemen mit dem Zoll die Rede: Container mit wertvollem Inhalt würden in Häfen zurückgehalten. Und weil man gerade einen finanziellen Engpass habe, wurden die Senioren um hohe Summen gebeten.
Beim ersten Mal war das Gold echt
Im Fall des Kölner Zahnarztes stellten die Betrüger eine Vertrauensbasis durch ein Gold-Geschäft her: Dem Opfer wurde erzählt, dass die angeblich aus der Türkei stammenden Männer in Deutschland nicht so ohne weiteres Gold verkaufen könnten. Also willigte der Arzt ein, eine Goldmünze und einen Goldbarren mit jeweils einer Unze Gewicht für sie zu verkaufen. Das habe bei der Degussa reibungslos funktioniert, erinnert er sich am Montag: Dieses Gold war echt, die 4384 Euro habe er „Ali“ – das war in diesem Fall der falsche Name – dann übergeben.
Danach sei die Münzsammlung des Arztes zur Sprache gekommen: 180 Stück mit je einer halben oder einer ganzen Unze Gewicht hatte der in Siebenbürgen gebürtige Mann binnen 18 Jahren zusammengekauft. Davon wollte er einen Teil verkaufen. Nicht für sich, sondern um allen drei Enkeln das Medizinstudium in Bratislava finanzieren zu können. Die Idee: einen Teil der Münzen in Goldbarren umtauschen. Die besorgten die Betrüger dann – alle waren unecht. Ebenso der Inhalt einer Geldkassette: Die in Folie eingeschweißten Bündel mit 500-Euro-Scheinen zeigten nur oben eine scheinbar echte Note. Dass die angeblichen Türken ihm „Fake-Barren“ untergejubelt hatten, habe ihm einer der Enkel gezeigt, berichtet der Zeuge: „Der hängt immer im Internet.“ Die runde Viertelmillion sei „ein herber Verlust“, bilanziert der Arzt – „nicht für mich“, sagt er mit Blick auf sein Alter: „Was weg ist, ist weg.“
Was weg ist, ist weg.
Aber für seine Enkel sieht das anders aus. Studieren könnten sie trotzdem, sagt er auf Nachfrage des Gerichts. Dass er nun mit 10.000 Euro in bar nach Hause geht, überrascht ihn. Wichtiger ist ihm aber dies: „Sie sollten hier etwas für ihr Leben lernen“, wendet er sich an die Angeklagten. Ob sich diese Hoffnung erfüllt?
Wesentlich schwieriger war es für die frühere Dozentin an der Musikhochschule. Der Verlust der 38.000 Euro schmerzt erheblich, das ist eindeutig: „Das Geld brauche ich vielleicht, wenn ich mal in ein Heim komme.“ In Deutschland habe sie nach dem Tod ihres Mannes keine Angehörigen mehr. Besonders peinlich ist ihr die Sache mit dem Kredit über 24.000 Euro. Ihrem Berater bei der Postbank habe sie erzählt, das Geld sei für eine Reparatur ihres Steinway-Flügels, so die Musikerin. Die Idee, ein Darlehen aufzunehmen, „kam nicht von mir“, sagt sie mit fester Stimme. Von welchem der Angeklagten, kann sie aber nicht mehr sagen. Den engsten Kontakt hatte sie jedenfalls mit dem Ältesten des Quartetts.
Auch der 61-Jährige entschuldigt sich – mit knappen Worten. Und will ebenfalls eine Entschädigung bezahlen. Wie hoch der von Anwalt Christian Mertens angekündigte „vierstellige Betrag“ ausfallen wird, ist noch nicht spruchreif. Dieses Geld soll an die Ex-Dozentin überwiesen werden. Der Montag ist also der einzige Zahltag im Gericht.