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BetrugsprozessWarum die Betrüger aus der Leverkusener Großfamilie diesmal so hart bestraft wurden

Lesezeit 4 Minuten
Angeklagte der Leverkusener Großfamilie mit ihren Anwälten im Erweiterungsbau des Kölner Landgerichts

Keine gute Adresse war die 3. Große Strafkammer am Kölner Landgericht diesmal für Mitglieder der Großfamilie aus Leverkusen.

Der frische Blick eines neuen Richters ist den Leverkusener Wiederholungstätern teuer zu stehen gekommen.

Es war das erste Mal, dass Stephan Kloke als Vorsitzender Richter einer Großen Strafkammer mit Mitgliedern der Leverkusener Großfamilie zu tun bekam. Und dieser offenkundig frische Blick hat sich für die Betrüger aus drei Generationen als verhängnisvoll erwiesen. In drei von vier Fällen fielen die Strafen wesentlich höher aus als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Nicht zu reden von den Anträgen der Verteidiger. Der Haupttäter bekam siebeneinviertel, sein Verwandter sechsdreiviertel Jahre Haft.

Besonders gravierend ist die Abweichung beim ältesten Angeklagten. Der 61-Jährige wurde zu vier Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt, muss also tatsächlich in Haft. Die Staatsanwältin hatte zweieinviertel Jahre gefordert, sein Verteidiger Christian Mertens „ein bis zwei Jahre“. Eine Strafe also, die leicht zur Bewährung auszusetzen gewesen wäre.

Die älteste Clan-Generation ist nicht unschuldig

Aber Klokes Kammer hatte eine andere Perspektive eingenommen: Für sie zählte weniger, dass der im Gegensatz zu seinen Nachkommen nicht sehr beredte frühere Kesselflicker nur bei einer der diesmal angeklagten Betrügereien eine Rolle gespielt hatte. Sondern, dass er in seinem zugegebenermaßen recht langen Leben schon 26-mal von einem Gericht bestraft wurde. Und eben oftmals einschlägig, wegen Betrugs. Für das Gericht stand offenbar im Vordergrund, dass die Ursprungsgeneration auch am Anfang der in der gesamten Familie weit verbreiteten Kriminalität steht.

Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln

In dem straff geführten Prozess sollte dagegen das Bild eines irgendwie abgehalfterten Seniors entstehen, der eher per Zufall nochmal bei einem Betrugsdeal mitmachte. Es war allerdings auch der Fall, der besonders verwerflich erscheint: Eine heute 73 Jahre alte frühere Dozentin an der Kölner Musikhochschule, verwitwet und mit neuseeländischen Wurzeln, brachten er und sein Sohn sogar dazu, einen Kredit aufzunehmen: 24.000 Euro lieh sich das Opfer bei der Postbank – 38.000 Euro gab sie den Betrügern insgesamt. Der Unbekannte aus fast derselben Generation sei ihr „sympathisch“ gewesen, hatte die Frau gesagt. Und es war im Prozess klar geworden, dass sie sehr mit dem Geschehen hadert, sich auch selbst Vorwürfe macht. Eine typische Reaktion bei Betrugsopfern.

Enorm hohes Rückfalltempo

In der Lesart von Nicolai Mameghani, der den 32 Jahre alten Haupttäter verteidigte, verhält es sich so: „Die Taten sind ihm leichtgemacht worden.“ Eine Sicht, der sich die Richter ausdrücklich nicht anschlossen: Dass die Täter ihren Opfern aufwendige Lügengeschichten von im Hafen blockierten Containern auftischten, ihnen falsche Goldbarren und falsches Geld unterjubelten, gefälschte Dokumente vorlegten und ihnen mit Taschenspielertricks echtes Geld abnahmen, sei „besonders perfide“, so Kloke.

Dazu komme die „hohe Rückfallgeschwindigkeit“: Gegen den Haupttäter gibt es eine neue Anklage aus Dortmund, die aus Tatvorwürfen von Ende April resultiert. Also knapp vier Wochen, bevor dieser Prozess in Köln begann. Ein Grund, den Mann am Dienstag im Gerichtssaal erneut verhaften zu lassen. Außerdem ist er schon viermal vorbestraft.

Was die Betrugsfrequenz angeht, sieht es beim Sohn des Clan-Seniors noch ärger aus: Eine Woche, nachdem er vom Amtsgericht in Opladen zu einer Bewährungsstrafe – wegen Betrugs – verurteilt worden war, führte er die Dozentin hinters Licht. Bei seinem Vater lag zwischen der letzten Verurteilung und dieser Tat ein Jahr.

Viel Erfahrung vor Gericht

Klar erkennen ließ Kloke auch, dass ihm die Prozessroutine, die von den Angeklagten an den Tag gelegt wurde, gegen den Strich ging. Die geht – das zeigen frühere Verhandlungen – so: Man wird erwischt, man gesteht die auf der Hand liegenden Taten, man kratzt ein bisschen Geld zusammen, um im Prozess publikumswirksam „Wiedergutmachung“ zu betreiben. Die sich aber in Grenzen hält: Die 5000 Euro etwa, die der Hauptangeklagte einem inzwischen 92 Jahre alten ehemaligen Kölner Arzt in bar übergeben ließ, „machen gerade zwei Prozent des Schadens aus“, so Kloke. Es folgt eine Entschuldigung, nachdem sich die Opfer der unangenehmen Befragung vor Gericht ausgesetzt haben – sofern sie dazu noch in der Lage sind.

In diesem Prozess war ein mittlerweile 87 Jahre alter Mann aus Kerpen, dem die Betrüger über 270.000 Euro abgenommen hatten, gesundheitlich nicht mehr in der Lage, vor Gericht zu erscheinen. Diese Entschuldigungen bezeichnete Kloke als „auswendig gelernt“ – mindestens kamen sie routiniert herüber. In den Prozesspausen machten die Leverkusener Betrüger einen recht entspannten Eindruck.

Lediglich Jonas Bau, der den Jüngsten der vier Clan-Mitglieder vertrat, fand mit seinem Hauptargument Gehör bei der Kammer: Auf den zur Tatzeit 21 Jahre alten Vater einer Tochter wurde Jugendstrafrecht angewandt. Das bewahrt ihn vor dem Gefängnis. Aber er darf sich drei Jahre lang nichts zuschulden kommen lassen, wenn er seiner zweijährigen Haftstrafe entgehen will. Hier scheinen die Richter die Hoffnung, im kriminellen Milieu noch irgendwie anständig zu bleiben, noch nicht aufgegeben zu haben.

Dass es keinen Grund gibt, den älteren notorischen Betrügern aus der Großfamilie noch eine Chance zur Bewährung zu geben, hat die 3. Große Strafkammer allerdings sehr deutlich gemacht. Die Angehörigen der Angeklagten waren entsprechend geschockt. Womöglich hat am Dienstagabend eine neue Zeitrechnung für die Großfamilie begonnen.