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Weihnachts-GeschichteChristbaum in Engelskirchen-Loope war 35 Meter hoch

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Eine kolorierte Ansicht der alten Aufnahme.

O Tannenbaum! In 35 Metern Höhe krönte eine 500-Watt-Birne die Fichte an der Looper Aggerbrücke.

Mit stolzen 35 Metern war die Fichte an der Aggerbrücke in Engelskirchen-Loope in den 1930er Jahren der größte Christbaum weit und breit. 

Die 15 Meter hohe Fichte an der Aggerbrücke ist ein Hingucker, einer der größten Weihnachtsbäume weit und breit. Sie begrüßt die Menschen, die mit der Regionalbahn oder auf der Landesstraße von Westen ins Oberbergische kommen oder den Kreis in umgekehrter Richtung verlassen. Die Fichte, die der Bürgerverein in diesem Jahr aufgestellt hat, ist aber nur ein zierliches Bäumchen, wenn man sie mit dem mächtigen Stamm vergleicht, der vor 90 Jahren auf der gegenüberliegenden Nordseite der Agger stand.

Eine kolorierte Ansicht der alten Aufnahme.

Wir haben das Bild aus den 1930er Jahren von Künstlicher Intelligenz digital kolorieren lassen. Fotos: BuV Loope/Joost

In ihrer Ausgabe vom 22. Dezember 1935 glaubt die Engelskirchener Zeitung „Bergische Wacht“, dass es vielleicht noch zu bescheiden ausgedrückt ist, wenn sie vom „größten Lichterbaum der Rheinprovinz“ schreibt. „Denn ob man im ganzen übrigen Vaterland einen Christbaum antreffen wird, der ebenso wie der hier brennende seine 35 Meter hoch ist, kann man bezweifeln.“

Das erste Mal erstrahlte der Baum 1930

Der Baum selbst stand zu diesem Zeitpunkt wohl schon mehr als hundert Jahre an dieser Stelle neben der Aggerbrücke und dicht an der Gaststätte Lenz, schreibt die Bergische Wacht. Wie die Fichte zum Christbaum wurde, kann man im 2012 vom Bürger- und Verschönerungsverein herausgegebenen Looper Heimatbuch nachlesen. Ortshistoriker Karl-Heinz Lüdenbach hat für seinen Bericht den Looper Gastronomen Karl Lenz zum Thema interviewt. Demnach entstand die Idee im November 1930 in der Gaststätte „Zum Schloss Ehreshoven“. Das beliebte Lokal am Aggerufer war Vorgänger des Hotels Lenz und heutigen Restaurants „Zum Fels“, das in den 1960 Jahren direkt daneben errichtet wurde. Das alte Fachwerkhaus wurde 2015 abgerissen, jetzt steht dort eine Seniorwohnanlage.

An der Theke der Gaststätte erzählte Karl Lenz' Vater Theo im November 1930 einigen Gästen von einem Traum, den er in der Nacht zuvor hatte: Er habe die hohe Fichte neben dem Haus als strahlenden Weihnachtsbaum gesehen. „Von einem der Gäste kommt die spontane Idee, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen“, schreibt Karl-Heinz Lüdenbach in der Looper Chronik.

Das Originalbild in Schwarz-Weiß.

Das Originalbild des Baums stammt aus dem Archiv des Bürgervereins.

Das Beleuchtungsmaterial wurde gespendet, die Schelmerather Elektro-Firma Eimermacher übernahm die herausfordernde Installation: Es galt 80 Glühbirnen anzubringen, die durch 500 Meter Leitungsdraht verbunden wurden. Die Spitze des Baumes krönte eine 500-Watt-Birne. Die Familie Lenz trug die Stromkosten. In der Christnacht 1930 erstrahlte der riesige Weihnachtsbaum erstmals in vollem Lichterglanz. Karl-Heinz Lüdenbach lobt den Looper Gemeinschaftsgeist, der das zuwege brachte. „Der riesige Weihnachtsbaum erfreute fortan jährlich die Looper aufs Neue und wurde auch von zahlreichen Gästen bestaunt, für den Luftkurort Loope eine Empfehlung, die auch im Winter nicht schaden konnte.“

Doch schon an Weihnachten 1938 erstrahlte die Riesenfichte zum letzten Mal, bedauert der Chronist. „Geschwächt durch Blitzschlag brach der Baum bei einem starken Sturm im Jahre 1939 in der Mitte entzwei. Loope hatte ein markantes Wahrzeichen verloren.“

Weil unsere Leiter nicht lang genug war, mussten die Männer sie auf einen Tisch stellen, bis sie an den untersten Ast kamen
Karl Lenz über das Baumschmücken

Karl Lenz wurde im selben Jahr geboren, als der Riesenbaum zum ersten Mal beleuchtet wurde. Der 95-Jährige erinnerte sich noch heute daran, wie sehr es ihn als kleinen Jungen faszinierte, wenn es ans Baumschmücken ging. „Weil unsere Leiter nicht lang genug war, mussten die Männer sie auf einen Tisch stellen, bis sie an den untersten Ast kamen.“ In seinem Flur hängt ein Brett aus dem Stamm   der alten Fichte, auf den er von einem Holzschnitzer in St. Goar das Bild des beleuchteten Baums eingravieren ließ. Weiteres Fichtenholz fand Verwendung beim Bau einer Aussteuerkiste.

So sieht der aktuelle Weihnachtsbaum an der Aggerbrücke in Loope aus.

So sieht der aktuelle Weihnachtsbaum an der Aggerbrücke in Loope aus.

Und viele Bretter wurden bereits 1945 von den Amerikanern konfisziert und für die Behelfsbrücke genutzt, die sie als Ersatz für die von der Wehrmacht gesprengte Aggerbrücke errichteten. Nach dem Krieg erstrahlte ein Weihnachtsbaum einige Jahre lang auf der Perdt am nördlichen Berghang. 1963 begründete der Vorsitzende des Bürgervereins, Christian Jonen, schließlich eine neue Tradition und überzeugte die Feuerwehr davon, einen großen Weihnachtsbaum im Ort aufzustellen. Der Standort war zunächst an der Schule und wurde erst später in den Ortskern an der Agger verlegt. Seitdem wird alljährlich Ende November eine mindestens zehn Meter große Fichte an der Brücke aufgerichtet. Die Elektroinstallation verantwortet der Vorstand des Bürgervereins.

In diesem Jahr wurde der Looper Weihnachtsbaum übrigens in Vilkerath-Unterheide gefällt. Das traditionellen „Anleuchten“ haben Verein und Bevölkerung am ersten Advent auf dem nahen Dorfplatz gefeiert. Mit Weihnachtsliedern, Glühwein, Kinderpunsch und, wie der Bürgerverein es ausdrückt, einem „kleinen Bruder“ des großen Weihnachtsbaums – dem Urenkel des größten Weihnachtsbaums der ganzen Rheinprovinz.