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InterviewWie Bergisch Gladbachs Bürgermeister den Zusammenhalt in der Stadt stärken will

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Marcel Kreutz (SPD) ist seit 1. November Bürgermeister der Stadt Bergisch Gladbach.

Haushaltslage, Infrastruktur: Marcel Kreutz (SPD) steht vor großen Herausforderungen. Was er sich für 2026 vornimmt.

Marcel Kreutz (SPD) ist seit acht Wochen neuer Bürgermeister in Bergisch Gladbach. Im Interview spricht er über die schwierige Haushaltslage und seine Wünsche für die nächsten Jahre.

Herr Kreutz, auf Wahlplakaten haben Sie das Amt als Bürgermeister als Ihren Traumjob bezeichnet. Ist das nach den ersten 56 Tagen noch so?

Ja, auf jeden Fall. Es ist natürlich herausfordernd, die Termindichte ist eine ganz andere. Aber ich habe zwei ganz wichtige Säulen, auf die ich zählen kann. Das ist zum einen meine Familie, die mir absolut den Rücken freihält. Aber vor allem steht mir im Bürgermeisterbüro ein sehr gutes Team zur Seite. Die Kollegen haben es mir wirklich sehr leicht gemacht, anzukommen.

Wann haben Sie denn ihre kleine Tochter das letzte Mal ins Bett gebracht?

Das war tatsächlich vorgestern. Aber dafür habe ich heute Morgen Frühstück gemacht.

Welche Dinge haben Sie schon auf den Weg gebracht?

Es ist mir sehr wichtig gewesen, in den ersten Wochen die Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung kennenzulernen, mich als der Neue vorzustellen. Um zu wissen, wer sind eigentlich die Menschen, die bei uns arbeiten. Das darf angesichts der vielen großen Projekte, die in den nächsten Jahren anstehen, nicht hinten runterfallen. Es sind Menschen, die am Ende alle Aufgaben ausführen werden. Wir haben es geschafft, erste Schritte zu einer Weiterentwicklung der Verwaltung auf den Weg zu bringen.

Haben Sie den Arbeitsaufwand unterschätzt?

Natürlich ist es eine große Umstellung. Aber unterschätzt? Nein, das würde ich nicht sagen. Das Arbeitspensum ist hoch. Aber weil meine Kolleginnen und Kollegen die Abläufe gut organisieren, ist es stemmbar.

Was sind Ihre drei wichtigsten Projekte?

Es sind tatsächlich zwei Projekte. Das eine ist das Thema Infrastruktur und das andere der Zusammenhalt in der Stadt.

Sie betonten, ihr Hauptbeweggrund für das Amt des Bürgermeisters sei, in ihrer Heimat Dinge zu verbessern. Können Sie Ihre Pläne bei einem Haushaltsdefizit in Höhe von 48,7 Millionen Euro überhaupt umsetzen?

Da sprechen Sie das richtige Problem an. Stichwort Infrastruktur: Wir wollen positive Veränderungen erreichen, dass unsere Schulen intakt sind, dass unsere Straßen und Radwege funktionieren. Andererseits haben wir eine immer restriktiver werdende Haushaltssituation.

Wie kann das dann überhaupt gelingen?

Das ist ein Balanceakt. Im Haushaltsentwurf, den der Kämmerer und ich vorgelegt haben, haben wir einen begehbaren Weg vorgeschlagen. Indem wir es schaffen, 126 Millionen Euro für Investitionen anzusetzen. Über die Hälfte davon ist für Schulen. Damit setzen wir einen klaren Schwerpunkt. Der Entwurf wird in den nächsten Wochen von der Politik beraten. Und dann werden wir sehen, welchen Weg wir gehen werden.

Welche Abstriche müssen Sie machen?

Am liebsten würde ich sagen, ich möchte alle Sachen auf einmal machen. Aber das geht finanziell nicht. Realistisch muss man aber auch sagen, wir müssen erst einmal die PS auf die Straße bringen. Dafür müssen unsere Strukturen und die Einbindung der privaten Unternehmen, die teilweise die Projekte umsetzen, verbessert werden.

Aber wie wollen Sie den riesigen Verwaltungsapparat am Laufen halten, wenn ein Bedarf von 150 neuen Stellen festgestellt worden ist, aber tatsächlich nur 41 kommen sollen?

Wir priorisieren unsere Aufgaben. Und machen gegenüber der Politik transparent, dass es seinen Preis haben wird, wenn wir trotz des Zuwachses an Aufgaben, die von anderer Seite kommen, gleichzeitig nur in geringen Maße Stellen zusetzen. Die Folgen werden Arbeitsverdichtung und steigender Druck sein.

Riskieren Sie so nicht, dass die Stimmung bei Ihren Leuten im Amt in den Keller geht?

Ich werde alles daran setzen, diese Last zu mindern und nicht einseitig auf den Schultern der Kolleginnen und Kollegen zu belassen. Mit dem Personalrat gibt es dazu einen konstruktiven Austausch. Mir ist klar, am Ende müssen wir das hier zusammen machen.

Was können Sie auf kommunaler Ebene noch tun, um die Etatsituation zu verbessern? Grundsteuer und Gewerbesteuer werden ja schon erhöht.

Es gibt für uns als Kommunen nicht viele relevante Hebel, um die Einnahmesituation zu verbessern. Wichtig ist, dafür zu sorgen, dass unsere Gewerbetreibenden gute Rahmenbedingung vorfinden und wir weitere Gewerbeansiedlungen zum Beispiel mit kreativen Start-Ups ermöglichen.

Dann ist die Kritik des Städtetags für einen stärkeren finanziellen Ausgleich berechtigt?

Ja, ich finde, es ist Aufgabe von Bund und Land, dass wir für die Aufgaben, die wir übertragen bekommen, auskömmlich finanziert werden. Ich finde es nicht gerecht, neue Aufgaben von oben nach unten weiterzureichen, aber die Finanzierung sollen Städte und Gemeinden zu stark alleine tragen. Steuererhöhungen sind eine Konsequenz dieses strukturellen Finanzierungsdefizits.

Sie haben im Wahlkampf davon gesprochen, dass Sie ein neues „Wir-Gefühl“ wecken wollen. Wie kann das unter diesen Bedingungen funktionieren?

Ich halte es ausdrücklich für falsch, bestehende Angebote etwa in den Bereichen Kultur oder Jugend zu kürzen. Streichen wir die freiwilligen Leistungen, machen wir etwas kaputt in unserer Stadt, unseren Stadtteilen und Nachbarschaften. Es ist mein absolutes Bestreben, das zu verhindern. Gerade in der aktuellen gesamtpolitischen Situation wollen wir doch, dass es mehr Zusammenhalt in unserer Stadt gibt.

Ihre Wahl zum Bürgermeister wird von einem rot-grünen Bündnis gestützt, das im Rat keine Mehrheit hat. Deshalb mussten bereits wichtige Entscheidungen wie zuletzt zur Zukunft der Stadthäuser vertagt werden. Wie wollen Sie das Problem lösen?

Es gibt in der Stadtgesellschaft zurecht eine hohe Erwartung, dass Verwaltung, Bürgermeister und Stadtrat pragmatisch Probleme lösen. Dabei ist der Haushalt das Angebot, das der Kämmerer und ich der Politik unterbreiten. Und ich werbe sehr dafür, dass wir zusammen mit den Fraktionen der demokratischen Mitte eine gemeinsame Linie finden werden, um Probleme zu lösen.

2026 sollen die ersten Projekte bei der Schulbau-Priorisierung angepackt werden. Aber was ist mit den Schulen, die weiter hinten auf der Liste stehen? Kommen die auch noch dran oder ist die Stadt bis dahin pleite?

Wir gehen ja zweistufig vor. Neben der Priorisierung, im kommenden Jahr stehen zwei weiterführende und drei Grundschulen auf dem Programm, führen wir ja weiter Reparaturen und kleinere Maßnahmen durch. Das darf man nicht vergessen.

Und wie geht es bei Zanders weiter, dem wichtigsten Strukturprojekt für die Stadt?

Da geht es nächstes Jahr richtig los. Der zentrale Bereich um das Z wird freigezogen.   Auch der Umbau der alten Zentralwerkstatt steht an. Und im Frühsommer soll der Gleispark als Freizeit- und Sportfläche eröffnet werden. Für die Zentralwerkstatt und den Gleispark haben wir rund 7 Mio. Euro an Fördergeldern vom Land bekommen. Bei einer Förderrate von 70 Prozent ermöglichen diese Mittel des NRW-Bauministeriums eine Gesamtinvestition von rund 10 Millionen Euro.

Worauf freuen Sie sich 2026?

Ich freue mich darauf, Projekte voranzubringen. So dass wir am Ende des Jahres sagen können: Da sind wir einen Schritt weitergekommen. Und ich freue mich vor allem auf die vielen Begegnungen mit den Bürgerinnen und Bürgern. Es gibt so viele Menschen in unserer Stadt, die sich engagieren und etwas bewegen wollen. Es macht Freude, Bürgermeister in Bergisch Gladbach zu sein.