Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Mama, ich bin trans“Wie eine Mutter das Coming-Out ihrer Tochter erlebt und andere Eltern unterstützt

5 min
Ein Schild für eine Unisex-Toilette im Stadion.

Der Gesprächskreis trifft sich einmal im Monat in Sankt Augustin.

Ulrike Friedrich aus Siegburg gründete eine Gruppe für Eltern von trans- und nichtbinären Personen.

„Ich dachte ja mal, ich hätte zwei Söhne“, sagt Ulrike Friedrich (57) aus Siegburg. Vor zweieinhalb Jahren sagte ihr ihre Tochter Kira Müller (32), sie müsse über etwas mit ihr sprechen. „Dann hat sie so eine Weile herumgedruckst – und ich dachte mir, wer weiß, was jetzt kommt. Dann sagte sie ‚Mama, ich bin trans.‘ Dann habe ich gesagt: ,Oh Gott, ich dachte, es wäre was Schlimmes!‘“

Dann seien sie erstmal zusammen Ohrlöcher stechen gegangen und hätten ein Frauenkleidungsgeschäft besucht. Vorher habe sie sich noch kaum mit dem Thema auseinandergesetzt, erzählt Friedrich. „Ich war total uninformiert, hatte aber das Glück, dass ich zu meiner Tochter ein sehr gutes Verhältnis hatte. Ich konnte ihr alle Fragen stellen – ich weiß nicht, wie viele Tage wir uns am Ende darüber unterhalten haben.“

Wenn Eltern ihr Kind unterstützen wollen, sich aber schwertun

Das Verwenden des neuen Namens und der richtigen Pronomen fiel ihr wie vielen Angehörigen von trans Personen nicht sofort leicht. „Das ist einfach schwierig, wenn man 30 Jahre lang einen anderen Namen verwendet hat. Das hat nichts mit der Identität zu tun, sondern einfach mit der Gewohnheit“, sagt Ulrike Friedrich.

Sie entschied sich, sich weiterzubilden und Seminare der Deutschen Gesellschaft für Trans*- und Inter*geschlechtlichkeit, kurz dgti, zu besuchen, wo sie heute auch als Beraterin tätig ist. „Da bin ich darüber gestolpert, dass es ja noch andere Eltern gibt, die sich schwertun.“ Friedrich suchte nach einer Gruppe zum Austausch für Angehörige von trans Personen, fand aber in der Region zunächst keine.

Das Wichtigste ist, sich zu bemühen und Interesse zu zeigen – und zu sagen: Du bist und bleibst natürlich mein Kind. Punkt.
Kira Müller

Daraufhin nahm sie Kontakt zu der „Check it“-Beratungsstelle für Sexualität und Gesundheit im Rhein-Sieg-Kreis auf. Mit Helena Graffé von der dortigen Fachstelle Queere Beratung arbeitete sie die Idee zu einem neuen Gesprächskreis für Elternteile von trans- und nicht binären Menschen aus.

„Ich kenne andere trans Personen, die ihre Eltern verloren haben, weil die sich einfach nicht damit beschäftigen wollten – oder vielleicht konnten“, sagt Ulrike Friedrichs Tochter Kira Müller, „und wenn Eltern sich bemühen, aber nicht die richtigen Informationsangebote finden, kann das trotzdem schieflaufen.“ Deswegen sei sie froh, dass ihre Mutter den Gesprächskreis gegründet habe. Angebote wie diese gebe es zu selten.

Insgesamt gebe es außerdem wenige unterstützende Angebote für trans Personen, die sich eher spät outeten, sowohl im Rhein-Sieg-Kreis als auch in Köln, wo Müller lebt. „Viele Vernetzungstreffen und andere Angebote sind für Menschen unter 27 Jahren, weil sie durch die Jugendarbeit finanziert sind.“

Gesprächskreis in Sankt Augustin bietet Raum für emotionalen und pragmatischen Austausch

An einem Dienstag im Mai 2025 fand das erste Treffen des Gesprächskreises in Sankt Augustin statt. „Wir haben ganz gespannt gewartet, wer wohl kommt – und es kamen 13 Menschen“, erzählt Ulrike Friedrich, „ich war echt platt und habe gedacht, okay, das war anscheinend wichtig.“ Die Eltern und Angehörigen waren aus dem Rhein-Sieg-Kreis und darüber hinaus angereist.

Ihr sei besonders wichtig, dass die Mitglieder der Gruppe ihre Gedanken frei aussprechen und auch Sorgen und persönliche Schwierigkeiten ohne Wertung thematisieren können, sagt Ulrike Friedrich. „Man weiß schnell, mit welchen Themen man seinem Kind wehtun würde, die man vor ihm oder ihr nicht ansprechen sollte, zum Beispiel der Gedanke, ‚ich werde niemals Oma werden‘. Trotzdem kann es wichtig sein, diese Sorgen und Bedenken auszusprechen, um damit umgehen zu können.“

Die Leute stürzen sich heute auf alles, was nicht einer bestimmten Norm entspricht, und das macht mir extrem Angst.
Ulrike Friedrich

Normalerweise frage sie am Anfang jedes Treffens, ob jemand ein bestimmtes Thema auf dem Herzen habe, dann gehe die Gruppe in einen offenen Austausch, erzählt Friedrich. Auch praktische Fragen werden hier besprochen, zum Beispiel die Folgen von einer Hormoneinnahme, Empfehlungen von Therapeuten und Ärzten oder die Anpassung von Personalausweisen. 

Die Kinder der Gruppenmitglieder sind in unterschiedlichem Alter, entsprechend unterscheiden sich auch die Themen, die aufkommen. Die Tochter eines Gruppenmitglieds habe beispielsweise schon als Kleinkind geäußert, dass sie ein Mädchen sei, erzählt Friedrich: „Da haben die im Kindergarten schon ein Namensfest gefeiert, um das allen Kindern zu zeigen – fand ich ’ne ganz tolle Idee.“

Sorgen über transfeindliche Anfeindungen und Gewalt

Zum Großteil kämen Eltern in den Gesprächskreis, die ihrem Kind gegenüber ohnehin positiv eingestellt seien und daran arbeiten wollten, dieses besser zu verstehen, sagt Friedrich. „Es wäre natürlich schön, wenn man – auf welche Weise auch immer – auch Eltern erreichen könnte, die damit im Clinch liegen. Aber das sind nun mal leider nicht die, die zu uns kommen.“

Friedrich spricht auch über vermehrte Sorgen, die seit dem Outing ihrer Tochter aufkamen. Dazu gehören wachsende Anfeindungen trans Personen gegenüber: „Die Leute stürzen sich heute auf alles, was nicht einer bestimmten Norm entspricht, und das macht mir extrem Angst.“ Dazu komme die Sorge über Gewalt, der Frauen ausgesetzt sind, zum Beispiel, wenn ihre Tochter abends allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahre. „Wer als Frau sozialisiert ist, schaut ja immer über die Schulter, gerade wenn es dunkel ist. Meine Tochter ist ja anders sozialisiert und deswegen vielleicht weniger vorsichtig.“

Kira Müller hingegen möchte Eltern von trans Personen raten: „Macht euch nicht so viele Sorgen. Viele Eltern denken, wenn man dann so und so herumläuft, kriegt man auf die Schnauze. Zumindest hier im Rheinland ist mir das aber noch nicht passiert.“ Stattdessen sollten Eltern sich vor Augen führen, dass ihr Kind vor seinem Outing unglücklich gewesen sei, es durch das Entdecken seiner Geschlechtsidentität aber glücklich werden könne.

Sie sei sehr froh, dass ihre Mutter immer viel bei ihr nachgefragt, sich aber auch eigenständig informiert habe. „Das Wichtigste ist, sich zu bemühen und Interesse zu zeigen“, sagt Kira Müller, „und zu sagen: Du bist und bleibst natürlich mein Kind. Punkt.“ 


Alle, die sich für den Gesprächskreis für Eltern und Angehörige von trans* und nicht-binären Personen interessieren, können sich per E-Mail bei Ulrike Friedrich melden: ulrike.friedrich@dgti.org. Die Treffen finden normalerweise immer am ersten Dienstag des Monats von 18.30 Uhr bis 20 Uhr statt, der nächste Termin ist urlaubsbedingt bereits der 30. September. Weitere Informationen und die genaue Adresse erhalten neue Gruppenmitglieder bei der Anmeldung.