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Nach 41 JahrenFriedrich Reusch sagt dem Niederkasseler Stadtrat adieu

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Friedrich Reusch, langjähriger Vorsitzender der SPD-Fraktion im Niederkasseler Stadtrat, zieht sich nach mehr als 40 Jahren aus der Kommunalpolitik zurück.

Friedrich Reusch, langjähriger Vorsitzender der SPD-Fraktion im Niederkasseler Stadtrat, zieht sich nach mehr als 40 Jahren aus der Kommunalpolitik zurück.

Der scheidende Fraktionschef der SPD rät jungen Menschen zu mehr Engagement in der Kommunalpolitik.

Wenn am Mittwoch, 5. November, der neugewählte Niederkasseler Stadtrat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommt, ist Friedrich Reusch nicht mehr dabei. Nach rund 41 Jahren zieht sich der Sozialdemokrat weitgehend aus der Kommunalpolitik zurück. Peter Freitag sprach mit ihm über politisches Engagement und teure Bauprojekte.

Sie haben sich 41 Jahre lang in der Niederkasseler Kommunalpolitik engagiert – als Ratsmitglied, Fraktionsvorsitzender der SPD und zweimal (vergeblich) als Bürgermeisterkandidat. Würden Sie jungen Menschen heute noch zu einem solchen Engagement raten?

Ich würde es ihnen nicht nur raten, ich würde sie sogar dazu auffordern. Wir brauchen Menschen, die sich für die Gesellschaft engagieren. Politisches Engagement muss ja nicht sofort parteipolitisches Engagement sein. Das kann ja auch wie bei mir zunächst die Mitarbeit in der Schulpflegschaft sein oder im Elternrat der Kita. Wenn man dann feststellt, dass einem das liegt und man mit seinem Engagement etwas bewegt, kann man sich ja auch in anderen Bereichen einbringen.

Ein Blick in die sozialen Medien zeigt, dass kommunalpolitisches Engagement längst nicht von allen anerkannt und wertgeschätzt wird. Niederkasseler Politikerinnen und Politiker mussten sich in den vergangenen Monaten nach umstrittenen Ratsentscheidung dort reichlich Kritik und Beschimpfungen gefallen lassen.

Das stimmt. Allerdings habe ich persönlich nur sehr wenige schlechte Erfahrungen gemacht. Bei Facebook gab es drei oder vier Kotzbrocken, die mich unsachlich angegriffen haben, aber das war es dann auch schon. Überwiegend habe ich in meinem Umfeld positive Rückmeldungen bekommen. Natürlich gab es zum Beispiel beim Tennis mal die eine oder andere Frotzelei. Grundsätzlich habe ich die Menschen in Niederkassel aber als offen und tolerant erlebt, auch uns Politikern gegenüber.

Sie scheiden zu einem Zeitpunkt aus, zu dem die Handlungsfähigkeit der Niederkasseler Politik durch die Verschuldung der Stadt und das Haushaltssicherungskonzept stark eingeschränkt ist. Hat die Niederkasseler Politik in den vergangenen Jahren über ihre Verhältnisse gelebt?

Uns ist von der Kommunalaufsicht immer wieder bescheinigt worden, dass wir vernünftig gearbeitet und kein Geld verschwendet haben. Unser Haushalt war wegen der Vielzahl der Aufgaben, die die Stadt hat, länger schon auf Kante genäht. Leider lassen und der Bund und das Land bei vielen Themen im Regen stehen.

Nicht jeder dürfte Ihre Aussage zum Thema Geldverschwendung teilen. Im Zusammenhang mit dem Beschluss zur Erweiterung des Schulzentrums Nord, der einen großen Anteil an der umstrittenen Erhöhung der Grundsteuer hatte, fiel der Begriff Verschwendung immer wieder.

Wir brauchen diese Erweiterung in einem vernünftigen Standard, und ich bin sicher, dass viele kritische Stimmen verstummen werden, wenn der Erweiterungsbau des Schulzentrums mit Beginn des Schuljahrs 2026/2027 in Betrieb gehen wird. Auch dass der Kostenrahmen von rund 90 Millionen nach allem, was wir wissen, eingehalten wird, dürfte zur Akzeptanz unserer Entscheidung beitragen.

Die Stadt wird demnächst weitere Millionen, die sie eigentlich nicht hat, ausgeben müssen, weil es bei vielen städtischen Gebäuden einen erheblichen Sanierungsstau gibt – nicht nur beim Hallenbad und dem Kopernikus-Gymnasium. Wie konnte es dazu kommen?

Wir müssen uns als Politik den Vorwurf gefallen lassen, dass wir bei diesem Thema nicht richtig hingeschaut haben, das ist richtig.

Über die Folgen dieses Versäumnisses wird der neue Stadtrat entscheiden müssen, in dem sich noch keine klare Mehrheit abzeichnet. Mit der WIN gibt es eine neue politische Kraft, die genauso stark ist wie die SPD. Was erwarten sie angesichts dieser Konstellation für die Niederkasseler Politik?

In den vergangenen Jahren sind viele Entscheidungen im Stadtrat einstimmig oder fast einstimmig gefallen. Ich glaube, dass unter den Ratsmitgliedern der neuen Wählerinitiative Niederkassel viele vernünftige Leute sind, mit denen man ebenfalls vernünftig zusammenarbeiten kann. Ob das tatsächlich so kommt, wird man sehen.


Keine klare Mehrheit im neuen Niederkasseler Rat

Die konstituierende Sitzung des Niederkasseler Stadtrates beginnt am Mittwoch, 5. November, um 18 Uhr in er Aula des Schulzentrums Süd (Langgasse 126). Auf der Tagesordnung der Politikerinnen und Politiker steht nach einer Einwohnerfragestunde unter anderem die Wahl von stellvertretenden Bürgermeistern oder Bürgermeisterinnen und die Bildung von Ausschüssen.

Im neugewählten Stadtrat, dessen Mitgliederzahl von 38 auf 44 erhöht wurde, bleibt die CDU mit 15 Mandaten stärkste Fraktion. Auf jeweils neun Sitze kommen die SPD und die Wählerinitiative Niederkassel (WIN). Die Grünen sind mit vier Mandaten im Niederkasseler Kommunalparlament vertreten, die AfD mit drei und FDP und Die Linke mit jeweils zwei Sitzen. Bei den Abstimmungen des Rates hat außerdem Bürgermeister Matthias Großgarten (SPD) eine Stimme.