Der frühere Torwart Thomas Kessler darf sich beim FC als Sportdirektor bewähren. Wird aus der Interims- eine dauerhafte Lösung?
Ur-Kölner jetzt besonders im FokusThomas Kesslers große Chance beim 1. FC Köln

Hat zumindest vorerst die sportliche Leitung beim 1. FC Köln übernommen: Thomas Kessler
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Thomas Kessler dürfte nach weit über 20 Jahren als Jugendspieler, Profi und Verantwortlicher beim 1. FC Köln nicht mehr viel erstaunen, der 39-Jährige weiß am besten aus eigener Erfahrung, wie schnell und unverhofft sich die Dinge am Geißbockheim drehen können.
Doch vor wenigen Wochen, vielleicht auch nur Tagen, hätte es Kessler sicherlich nicht für möglich gehalten, dass er am vergangenen Sonntag nach Krefeld fahren würde, um dort Trainer-Legende Friedhelm Funkel für die in akute Gefahr geratene Mission Bundesliga-Aufstieg zu überzeugen und letztlich zu engagieren. Und um dann am Montagnachmittag, zwei Spieltage vor Saisonende der 2. Bundesliga, mit dem 71-jährigen Coach auf dem Podium im Rhein-Energie-Stadion zu sitzen und als über Nacht vom Abteilungsleiter zum Sportdirektor beförderter vieles erklären zu müssen.
Aber so rasant haben sich eben die Dinge beim 1. FC Köln nach der gleichzeitig erfolgten Trennung von Sport-Geschäftsführer Christian Keller und Trainer Gerhard Struber entwickelt. Und es ist Kessler, der neben Funkel somit plötzlich besonders in den Fokus rückt. Der gebürtige Kölner, dessen Vertrag bis 2026 läuft, hat jetzt die Möglichkeit, sich vor den Augen der Öffentlichkeit zu bewähren.
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Es ist seine große Chance. „Ich habe nun die Befugnis, aus eigener Kraft heraus Entscheidungen im Sport zu treffen“, sagt Kessler und macht deutlich: „Ich arbeite niemandem mehr zu, sondern stehe einem Team vor.“
Ich habe nun die Befugnis, aus eigener Kraft heraus Entscheidungen im Sport zu treffen. Ich arbeite niemandem mehr zu, sondern stehe einem Team vor
Kessler galt Keller gegenüber als loyal, in Sachen Kaderplanung arbeitete man eng zusammen, er kennt alle Abläufe, doch seine Entscheidungsgewalt hielt sich in engen Grenzen. Das wird jetzt anders. Der Ex-Torhüter treibt jetzt die Kaderplanung voran. Und sehr wahrscheinlich auch die Trainer-Suche. Einiges in Sachen Kader ist bereits auf den Weg gebracht und muss finalisiert werden, doch manche Personalie ist noch offen. Was auch daran liegt, dass entgegen den Erwartungen die Liga-Zugehörigkeit immer noch nicht geklärt ist. Positiv ist hingegen, dass es dem Klub finanziell wieder deutlich besser geht. Vizepräsident Eckhard Sauren plauderte auf dem Mitgliederstammtisch in dieser Woche das Budget für Neuzugänge aus: Es sind rund zwölf Millionen Euro.
Fürsprecher Funkel: „Warum in die Ferne schweifen? Das Gute liegt vor der Tür“
Kessler, der am Geißbockheim von vielen geschätzt wird, hat einige Fürsprecher. Dazu zählt auch Funkel. Beide kennen sich seit mehr als 20 Jahren. Als 16-Jähriger hatte Kessler unter dem Coach, der bereits 2002 bis 2003 den FC trainierte und in die Bundesliga aufstieg, sein erstes Profitraining bei den FC-Profis absolviert. Was die Suche nach einem neuen Geschäftsführer Sport angehe, da müsse man „gar nicht weit suchen“, befand Funkel: „Ich glaube, da muss man gar nicht weit suchen“, sagte der Trainer jetzt beim Sky-Zweitliga-Talk. „Man hat hier mit Thomas Kessler jemanden, der das im Moment übernommen hat. Er macht einen überragenden Job. Er ist Kölner, hat hier gespielt. Er ist fachlich sehr gut, ist sehr empathisch. Warum soll man dann in der Ferne schweifen, wenn das Gute direkt vor der Tür liegt?“
Doch es gibt auch kritische Stimmen. Und mancher in den Gremien plädiert für einen externen Keller-Nachfolger. Kessler, der nach seiner Karriere einen 24-monatiges Trainee-Programm absolvierte und dazu einer der ersten Absolventen des Zertifikatsprogramm „Management im Profifußball“ war, habe sich zu wenig profiliert und zu viele schlechte Entscheidungen Bereich zumindest mitgetragen, heißt es. In der Tat ist Kessler bereits seit fast vier Jahren der Leiter der Lizenzspielerabteilung.
Doch Kessler teilte wahrlich nicht immer Kellers Meinung. Beispielsweise hatte sich Kessler jüngst gegen die Trennung des langjährigen Chefscouts Martin Schulz ausgesprochen. Auch beim Umgang mit der Fifa-Transfersperre soll er eine andere Meinung als Keller vertreten haben und zudem nicht in alle entscheidenden Prozesse eingebunden gewesen sein.
Der noch amtierende FC-Präsident Werner Wolf sprach noch am Montag davon, dass Kessler die sportliche Leitung „interimsweise“ übernommen habe. Ob die Vereinsführung und die Gremien Kessler also auch den Job eines Geschäftsführers Sport zutrauen, ist offen. Und wie sieht Kessler selbst seine Zukunft? Er ließ – wenig überraschend – diese Frage offen: „Es geht überhaupt nicht um meine Position. Der Fokus liegt auf den nächsten beiden Spielen – nicht darauf, wie es danach weitergeht.“
Möglich ist allerdings auch, dass Kessler Sportdirektor bleibt. Denn klubintern gibt es schon länger Gedankenspiele, dass man einem künftigen Geschäftsführer Sport einen Sportdirektor zur Seite stellt. Das wäre auch eine Lehre aus der dreijährigen Ära von Keller, der fast schalten und walten konnte, wie er wollte.
Noch-Vorstand will neuen Sportchef aussuchen – Kritik aus Gremien
Trotz der Neuwahlen im Herbst ist der scheidende Vorstand der Auffassung, außer einem neuen Marketing-Geschäftsführer (für Markus Rejek), der in Kürze präsentiert werden soll, erneut einen neuen Geschäftsführer Sport auszusuchen und zu installieren. „Der Vorstand ist so lange der Vorstand, wie er gewählt ist“, sagte Wolf im Brustton der Überzeugung und sprach von einem „voll handlungsfähigen“ Präsidium.
Doch der Vorgang, der auf Jahre hinaus Auswirkungen haben könnte, stößt in den Gremien auf Widerstand. Wolf und Co. hatten bereits in den vergangenen sechs Jahren sechs Trainer, fünf Geschäftsführer und einen Sportdirektor verloren. Zudem sind einige Gremienvertreter der Auffassung, dass nicht unbedingt einer der „üblichen Verdächtigen“ neuer Sportchef werden muss. Ex-HSV-Sportvorstand Jonas Boldt (43), Rachid Azzouzi (54/zuletzt Fürth) oder Alexander Rosen (46/Hoffenheim) wurden bereits gehandelt, der beim FC Burnley als Berater tätige Rosen steht nach Informationen dieser Zeitung derzeit ohnehin für keinen Klub zur Verfügung.
Kreative: Ex-Kölner Thomas Krücken arbeitet bei Man City mit Guardiola
Diese Gremienvertreter können sich sehr gute auch eine kreative Lösung vorstellen. Eine wäre beispielsweise Thomas Krücken. Der gebürtige Neusser lief in der Jugend für den FC auf, erfüllte sich dann den Traum vom Trainer am Geißbockheim und war dort neun Jahre tätig. Danach machte der heute 47-Jährige allerdings in der Ferne Karriere: als Trainer oder Nachwuchs-Chef von Hertha, Bielefeld, Hoffenheim, Mainz und Stuttgart. Der Höhepunkt: Seit November 2023 ist Krücken Leiter der Nachwuchsakademie von Manchester City und arbeitet dort auch eng mit Star-Coach Pep Guardiola und Sportdirektor Txiki Begiristain zusammen, letzterer hört allerdings im Sommer auf.

Der frühere Kölner Thomas Krücken leitet seit Ende 2023 die Nachwuchsakademie von Manchester City.
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„Der FC wird immer mein Heimatverein bleiben“, sagte Krücken, der auch den Sportdirektoren-Lehrgang abgeschlossen hat, einst im Gespräch mit dieser Zeitung. Und obwohl die Mitarbeiter-Fluktuation vor allem in der Keller-Zeit beim FC immens war, so kennt auch Krücken noch einige Mitstreiter von damals: so etwa U19-Trainer Stefan Ruthenbeck, mit dem er 2010 den DFB-Fußballlehrer-Lehrgang absolviert hatte. Oder Nachwuchs-Chefscout Martin Bülles und Profi-Teammanager Marius Laux. Und natürlich auch Thomas Kessler.