Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Einsatzbilanz vorgestelltZwei Messerangriffe am Tag – Zunahme der Gewalt in Köln

Lesezeit 5 Minuten
Die Einsatzbilanz der Polizei wurde dieses Jahr auf dem Wiener Platz vorgestellt.

Die Einsatzbilanz der Polizei wurde dieses Jahr auf dem Wiener Platz vorgestellt.

Die Drogenkriminalität auf den Brennpunktplätzen und Messerangriffe stehen nach wie vor im Fokus der Polizei. Auch auf den Hilferuf einer Kölner Schulleiterin reagiert die Behörde. 

Bemerkenswert ruhig sei es heute auf dem Wiener Platz, sagte Polizeipräsident Johannes Hermanns am Mittwochvormittag bei der Vorstellung der polizeilichen Einsatzstatistik für das vergangene Jahr. Gleichzeitig räumte er ein: „Das wird sich vermutlich im Tagesverlauf ändern.“

Ganz bewusst habe man den Wiener Platz als einen der vielen Kölner Brennpunktplätze für die Vorstellung der Einsatzzahlen 2024 gewählt. „Wir nehmen die öffentlich geführte Diskussion über die Sicherheit auf Brennpunktplätzen wie dem Neumarkt, dem Ebertplatz oder dem Wiener Platz mit ihren Begleiterscheinungen wie Verwahrlosung, Gewalt- und Drogenkriminalität sehr ernst“, sagte er.

Polizeipräsident will Verhältnisse auf Brennpunktplätzen „nicht hinnehmen“

Der Bericht ist eine Art Tätigkeitsnachweis der Polizei und enthält alle 316.558 Einsätze in den sieben Polizeiinspektionen, zu denen auch Leverkusen gehört. Das sind fast genauso viele wie 2023, damals waren es 1000 Einsätze weniger. Etwa alle zwei Minuten macht sich ein Streifenwagen auf den Weg zu einem Einsatz in Köln oder Leverkusen, im Schnitt sind das fast 900 Einsätze am Tag. „Das macht deutlich, in welch hohem Takt unsere Polizistinnen und Polizisten gefordert sind“, so Hermanns.

Alles zum Thema Polizei Köln

Insgesamt seien die Zahlen im Vergleich zu den Vorjahren relativ stabil, ergänzte Martin Lotz, Leiter der Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz. Nur bei Einsätzen mit Kriminalitätsbezug gab es einen Rückgang von acht Prozent. Das dürfte allerdings auch mit der seit April 2024 geltenden Teillegalisierung von Cannabis zu tun haben, die bereits in der Kriminalstatistik für einen Rückgang von fast 2700 Rauschgiftfällen gesorgt hat.

Trotzdem beschäftigte die Drogen- und Gewaltkriminalität die Polizei im vergangenen Jahr besonders stark – und das wird aller Voraussicht nach auch in diesem Jahr so bleiben. Unter anderem die gewaltsamen Verteilungskämpfe im Drogenmilieu, die im Sommer mit Brandanschlägen und Schussabgaben auf Wohnhäuser Beunruhigung auslösten, „führen dazu, dass wir auch etablierte Strukturen auf den Prüfstand stellen“, so Hermanns.

Polizeipräsident Johannes Hermanns bei der Vorstellung der Einsatzzahlen des Jahres 2024

Polizeipräsident Johannes Hermanns bei der Vorstellung der Einsatzzahlen des Jahres 2024

Vor allem die von vielen Kölnerinnen und Kölnern als unzumutbar empfundenen Verhältnisse auf Plätzen wie dem Neumarkt, dem Ebertplatz und dem Wiener Platz will Hermanns „nicht hinnehmen. Es darf nicht sein, dass die Kölnerinnen und Kölner Angst haben, an diesen Plätzen in die Bahn zu steigen oder zu verweilen“. Deswegen setzt die Polizei vor allem auf mehr Präsenz, etwa durch die kürzlich vorgestellten gemischten Streifenteams mit Ordnungsamt und KVB.

Polizei prüft Einsatzkonzept am Friesenplatz nach Hilferuf von Schulleiterin

Dabei gerät nun auch wieder verstärkt der Friesenplatz in den Fokus: Am Mittwoch schrieb der „Kölner Stadt-Anzeiger“ über einen Hilferuf der Schulleiterin Ute Flink des Königin-Luise-Gymnasiums in der Innenstadt. Sie berichtete davon, dass Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zur Schule am Friesenplatz von Drogensüchtigen teils aggressiv angebettelt werden, auch zu Handgreiflichkeiten soll es schon gekommen sein.

Martin Lotz versicherte, das Polizeikonzept rund um den Friesenplatz erneut zu überprüfen. Schon Ende letzten Jahres hätten ihn Hinweise zu dem Problem erreicht. „Seitdem stehen wir in Kontakt mit der Schule. Wir haben unser Präsenzkonzept auf den Friesenplatz ausgeweitet, müssen aber feststellen, dass das Problem immer wieder auftaucht.“ Das liege auch an Verdrängungseffekten, wenn die Polizei etwa am Neumarkt oder am Appellhofplatz besonders aktiv sei. „Das heißt aber auch, dass wir dann am Friesenplatz nachziehen müssen.“

Die Schwerpunktgruppe Mülheim rund um Einsatzleiter Ralf Oetinger (2. v.r.)

Die Schwerpunktgruppe Mülheim rund um Einsatzleiter Ralf Oetinger (2. v.r.)

Als Positivbeispiele für ihr Präsenzkonzept hoben Lotz und Hermanns die Arbeit der Schwerpunktgruppen auf dem Ebertplatz und dem Wiener Platz hervor. Am Ebertplatz war die Polizei an 359 Tagen im vergangenen Jahr präsent, hat unter anderem 3.357 Platzverweise ausgesprochen und 107 Personen festgenommen. Am Wiener Platz waren es 1054 Platzverweise und 56 Festnahmen. „Das sind gute Ergebnisse, die aber auch zeigen, wie viel noch zu tun ist“, sagte Lotz.

Zunahme der Messergewalt beschäftigt Kölner Polizei

Weil die Arbeit der Schwerpunktgruppen am Wiener Platz und am Ebertplatz so gut funktioniert, hat die Polizei nun auch eine Schwerpunktgruppe Kalk eingerichtet, die die dortige Drogen- und Gewaltkriminalität stärker in den Blick nimmt. Schon seit Jahren gilt das Zentrum Kalks als Brennpunkt der Drogenkriminalität. Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatten Ende 2024 gezeigt, wie professionalisiert die Drogendeals in dem Viertel mittlerweile ablaufen.

Auch die Zunahme der Messergewalt beschäftigt die Kölner Polizei: „Die Zahl der Messerangriffe ist um 30 Prozent gestiegen, mittlerweile gibt es durchschnittlich zwei Messerangriffe am Tag. Das ist eindeutig zu viel“, sagte Hermanns. Die erste Waffenverbotszone ohne zeitliche Beschränkung auf dem Wiener Platz bewertet er als positive Entwicklung. „Sie gibt unseren Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit, zu jeder Tages- und Nachtzeit Kontrollen durchzuführen. Und das ist sehr erfolgreich.“

Seit September 2024 hat die Polizei dort 148 Messer und andere Waffen sichergestellt – auch an ungewöhnlichen Fundorten. So hat die Polizei im vergangenen Jahr etwa ein Messer im Akku-Fach eines E-Scooters am Wiener Platz sichergestellt. „Der Kreativität sind offensichtlich keine Grenzen gesetzt“, sagte Lotz. „Illegal ist das Messer trotzdem.“

Erfreulich verlief aus Sicht der Polizei dagegen die Europameisterschaft 2024, die mit fünf Spielen im Rhein-Energie-Stadion Halt machte. „Wir waren vier Wochen lang täglich gefordert, damit bis zu 200.000 Fans friedlich feiern können“, sagte Hermanns. Das sei gelungen. „Es war ein tolles Fest.“ Das liege auch daran, dass man in Köln Erfahrung mit der Begleitung von großen Sportveranstaltungen habe, 158 waren es insgesamt im vergangenen Jahr. Diese seien weitgehend friedlich verlaufen.