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88-jähriger Kölner vor GerichtOrthodoxer Prediger muss lange in Haft – 20 Jahre nach dem Missbrauch

Lesezeit 3 Minuten
Der beschuldigte Prediger mit seinem Verteidiger Bernd Wasmuth beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht

Der beschuldigte Prediger mit seinem Verteidiger Bernd Wasmuth beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht

Seinem Opfer soll der Angeklagte eine Art Schweigegelübde auferlegt haben.

Ein langjähriger Prediger und Erzdiakon der orthodoxen Kirche muss wegen schweren sexuellen Missbrauchs für acht Jahre ins Gefängnis. Im Kölner Landgericht hatte der heute 88-jährige studierte Bibliothekar zugegeben, sich vor mehr als 20 Jahren an dem minderjährigen Sohn eines befreundeten Ehepaars vergangen zu haben. Der Prozess offenbarte sogar noch weitere Taten des Mannes.

Köln: Sohn von befreundeter Familie schwer missbraucht

Im Haus der Eltern, auf dem Dachboden, war es im ersten Tatkomplex zu den Missbrauchstaten zum Nachteil eines Jungen gekommen. Der Angeklagte soll dem Opfer signalisiert haben, dass sexuelle Handlungen zwischen Kindern und Erwachsenen völlig normal seien. Auch habe er geäußert, dass er nun weitermachen müsse, obwohl das Kind unter starken Schmerzen gelitten habe.

Die Familie des Opfers war ebenfalls in der orthodoxen Kirche vertreten, der Angeklagte galt als moralische Instanz. Durch seine ehrenamtliche Tätigkeit bei der rumänisch-orthodoxen Kirche sei der Angeklagte mit vielen Kindern und Jugendlichen in Kontakt gekommen, was dieser laut Anklage zur Auslebung seiner sexuellen Phantasien genutzt habe.

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Köln: Opfer brach nach mehr als 20 Jahren sein Schweigen

Der missbrauchte Junge soll ein ihm auferlegtes Schweigegelübde befolgt haben – bis der heute 35-Jährige nach mehr als zwei Jahrzehnten doch den Mut fand, zur Polizei zu gehen. Im Prozess kam raus, dass auch ein Freund des Jungen zum Missbrauchsopfer durch den Angeklagten wurde. Die Taten wurden durch eine Nachtragsanklage ebenfalls abgeurteilt.

Nach der Strafanzeige des Geschädigten durchsuchten Ermittler die Wohnung des Angeklagten in Ehrenfeld. Nacktbilder von Kindern und Jugendlichen wurden laut Staatsanwaltschaft auf Dias sichergestellt, teils mit pornographischen Darstellungen. Auf einem Foto sei auch der Angeklagte selbst zu sehen, es zeige diesen nackt am Strand mit einem zwölfjährigen Kind.

„Die Vorwürfe werden vollumfänglich eingeräumt, das stimmt genau so“, hatte Verteidiger Bernd Wasmuth beim Prozessauftakt für seinen Mandanten erklärt. Da gebe es nichts zu beschönigen oder in Abrede zu stellen. Der 88-Jährige meldete sich dann aber auch selbst zu Wort und irritierte im Gerichtssaal etwa mit der Aussage, der missbrauchte Junge habe den Geschlechtsverkehr gewollt.

Köln: Irritierende Aussagen beim Prozess im Landgericht

„Ich weiß nicht, warum ich mit einer so starken Erotik geboren wurde“, hatte der Angeklagte erklärt und so Kopfschütteln von Prozessbeobachtern geerntet. Zu seinem Lebenslauf hatte der Mann von starken Züchtigungen durch seine Eltern berichtet. „Wenn meine Eltern mich immer schlagen und ich nichts tauge, dann kann der liebe Gott ein ehrlicher Papa und eine ehrliche Mama für mich sein“, habe er gedacht und zunächst auch Theologie studiert.

„Meine Demenz schreitet voran“, hatte der 88-Jährige zum Prozessbeginn zur Richterin geäußert und womöglich auf ein mildes Urteil gehofft. Doch die Vorsitzende hatte schnell klargestellt, dass ein Gutachten der Rechtsmedizin diese offenbare Selbstdiagnose nicht bestätigte.