Der Kölner Erzbischof spielt im gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben der Stadt und der Region keine Rolle. Was steckt dahinter?
Wo ist der Hirte?Kölner Kardinal Woelki ist seit Jahren aus der Öffentlichkeit verschwunden

Der Kölner Kardinal Rainer Woelki im Eröffnungsgottesdienst zur Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz
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Seit mehr als 1700 Jahren ist Köln Bischofssitz. Doch selten in der Geschichte ihrer Stadt dürften die Kölner davon so wenig mitbekommen haben wie heute. Kardinal Rainer Woelki, 94. Nachfolger des legendären Gründerbischofs Maternus, ist aus dem gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben der Stadt und der Region verschwunden. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der die Stimme der Kirche Gewicht haben und den Menschen etwas geben könnte, nicht nur den Katholiken. Nun ist Ostern. Aber wo ist der Hirte?
Sicherlich, zu den Gottesdiensten ist Woelki im Dom anzutreffen, zumindest an den hohen Feiertagen. Auch jetzt steht er den Festmessen vor. Aber selbst auf diesem Terrain, berichten regelmäßige Besucher, wirkt Woelki oft, als wäre er abwesend. Vor einer Woche, als sich an Palmsonntag vor der Minoritenkirche die Prozession hinüber zum Dom formiert und die Teilnehmer sich noch rege unterhalten, steht Woelki allein in eine Ecke gedrückt. „Mit einem Gesichtsausdruck – so bitter, so bärbeißig und grimmig, dass ihn wahrscheinlich schon deshalb keiner angesprochen hat.“
Beim 1. FC Köln hat Woelki sich seit Jahren nicht mehr offiziell sehen lassen
Bei den großen gesellschaftlichen Anlässen, von denen es in Köln eine ganze Reihe gibt, wäre noch nicht einmal dazu Gelegenheit. Weil Woelki fehlt. Bei der Prinzenproklamation. Auf Empfängen der Stadt. Bei kulturellen Events wie der lit.Cologne oder der Eröffnung der Jahresausstellung in Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums, wo sich traditionell die Kölner Kulturszene versammelt.
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Auch im Rhein-Energie-Stadion beim FC hat Woelki sich, wiewohl bekennender Fan, seit Jahren offiziell nicht mehr sehen lassen. Der Kardinal lege keinen Wert auf VIP-Plätze, erklärt sein Kommunikationsleiter Wolfram Eberhardt. Der FC teilt mit, Woelki habe „schon ewig kein Ticket mehr erworben. Ob er von jemandem ins Stadion mitgenommen wurde, können wir natürlich nicht nachvollziehen.“ Das Erzbistum schweigt sich zu dieser Frage aus.

Kardinal Rainer Woelki bei seiner Amtseinführung als Erzbischof von Köln im September 2014.
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Ein Erzbischof als Phantom. Das war in Woelkis gut zehnjähriger Amtszeit schon mal anders. Ganz anders. Der Erzbischof, der 2014 aus Berlin in seine Heimatstadt zurückkehrte, um die Nachfolge des emeritierten Kardinals Joachim Meisner anzutreten, suchte intensiv den Kontakt zu den Menschen. Die Amtseinführung war ein Fest für alle – auf dem Roncalliplatz mit Kölsch und Brezen. Und die Herzen der Kölnerinnen und Kölner flogen ihrem neuen Erzbischof zu, dem „kölschen Jung“ aus der Bruder-Klaus-Siedlung in Köln-Mülheim.
Selbst die notorisch kirchenkritischen „Stunker“ waren angetan: „Über den Woelki / kann man bisher nichts Schlechtes erzähl’n“, reimten sie für ihre Karnevalssitzungen in der Session 2014/15 in Anlehnung an Reinhard Mey.

Kardinal Rainer Woelki feiert am 26. Mai 2016 auf dem Roncalliplatz vor dem Kölner Dom an einem Flüchtlingsboot, das als Altar dient, die Fronleichnamsmesse.
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Das blieb ein paar Jahre so. Große Sympathie fand Woelkis Einsatz für sozial Benachteiligte, für Obdachlose und Flüchtlinge, erinnert sich die Freiburger Sozialethikerin Ursula Nothelle-Wildfeuer. „Ein Flüchtlingsboot als Altar auf den Roncalliplatz am Dom zu stellen und daran die Messe zu Fronleichnam zu feiern – das war ein starkes Symbol der Solidarität“, sagt die Theologieprofessorin, die aus dem Erzbistum stammt und die Vorgänge dort intensiv verfolgt. „Damals lag Woelki in seinem öffentlichen Agieren ganz auf der Linie von Papst Franziskus.“
Auch ihr Kollege Hans-Joachim Höhn von der Uni Köln spricht von einem „verheißungsvollen Start mit Aktionen und Stellungnahmen, die eine nach wie vor bestehende soziale Relevanz von Kirche und Christentum verdeutlicht“ hätten.
Woelkis Rücktrittsangebot hat der Papst bis heute nicht beantwortet
Doch dann kommt: der Missbrauchsskandal. Er fegt wie ein Blizzard übers katholische Deutschland hinweg, rüttelt an den Grundfesten der Kirche, erschüttert auch das Erzbistum Köln und den Stuhl des Erzbischofs. Streit um Gutachten und deren Veröffentlichung. Zweifel an Woelkis Wille zur Aufklärung. Kritik am Umgang mit Tätern. Und dazu eine – gelinde ausgedrückt – unglückliche Kommunikation mit dem von PR-Strategen formulierten Ziel, das „Überleben“ des Kardinals in der Krise zu sichern.
Im Spätsommer 2021 schickt der Papst Woelki für ein knappes halbes Jahr ins Abklingbecken: Geistliche Auszeit und am Ende ein Rücktrittsangebot. Das Schriftstück liegt bis heute unbeantwortet bei Franziskus in der Schublade. Als Woelki zurückkehrt, bittet er um eine zweite Chance, verspricht Besserung und das Bemühen, „in den kommenden Wochen und Monaten die Begegnung mit möglichst vielen von Ihnen zu suchen“.
Aus dem Neuanfang wird nichts
Aus dem Neuanfang wird nichts. Zu tief sind die aufgerissenen Gräben. Und spätestens seitdem die Kölner Staatsanwaltschaft gegen den Kardinal wegen Meineidverdachts ermittelt, ein in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte einmaliger Vorgang, hat die Distanz auch eine taktische Komponente: Will man noch mit Woelki zusammen gesehen werden, mit ihm für die Fotografen posieren? Offenbar nein, nach Möglichkeit.
Manchmal sorgt Woelki selbst für die Bilder
Manchmal sorgt Woelki nämlich selbst für die Bilder. Als NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) im Oktober 2022 dem französischen Botschafter François Delattre in der Kölner Dombauhütte die Restaurierung von vier Glasfenstern aus der Pariser Kathedrale Notre-Dame zeigt, taucht zur allseitigen Überraschung auch der Kardinal auf. Auf dem Gruppenfoto steht er in zweiter Reihe, etwas versetzt am Rande. Eingeladen war er nach übereinstimmender Auskunft nicht. In einer anschließend herausgegebenen Pressemitteilung des Erzbistums heißt es betont forsch, Woelki habe sich „vor Ort ein Bild vom aktuellen Stand“ gemacht und sich begeistert gezeigt.
Intern hat Woelki eine kleine Schar von Getreuen um sich geschart. Sein „Alter Ego“, Generalvikar Guido Assmann, gehört dazu, Amtsleiter Frank Hüppelshäuser und Büroleiterin Gerlinde Schlüter. Ihrem Rat folgt Woelki fast blind. Unter Kirchen-Insidern geht das politisch unkorrekte Wort vom „Führerbunker“ um. Denen außerhalb begegnet der Kardinal tendenziell mit Misstrauen. Kritische Geister hat er abserviert, von leitenden Posten entfernt, in den vorzeitigen Ruhestand gedrängt. Wieder andere haben von sich aus das Weite gesucht und das Erzbistum verlassen.

Das Kölner Dreigestirn 2020 zu Gast bei Kardinal Rainer Woelki - ohne den erkrankten Prinzen Christian II.
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Begeisternd ging es für Woelki auch im Karneval zu. Noch 2020 genoss er bei der Prinzenproklamation im Gürzenich die Veedels-Hymne der Bläck Fööss, dargeboten vom Jugendchor St. Stephan und dem KVB-Orchester. „Et Schönste, wat m'r han, schon all die lange Johr, es unser Veedel…“ Vier Tage danach sprang er spontan für den erkrankten Prinzen Christian II. ein. „Ich bin als Kardinal ja quasi Kronprinz, da kann ich die Position gut einnehmen“, sagte er beim traditionellen Besuch des auf Bauer und Jungfrau reduzierten Dreigestirns im erzbischöflichen Haus. Sein Auftritt beim Seniorenkarneval in Köln-Braunsfeld rührte ihn erkennbar: „Ohne proklamiert zu sein, einmal im Leben, hier bei Ihnen im Pfarrsaal, Prinz Karneval zu sein, ist das Größte, was es für mich gibt. Kölle alaaf!“
Für die Kölner Karnevalisten ist der Kardinal persona non grata
Doch als nach der Corona-Pandemie wieder offiziell gefeiert werden darf, ist alles anders. Für die Karnevalisten ist der Kardinal inzwischen persona non grata. Der Besuch des Dreigestirns beim Erzbischof fällt aus. Das Festkomitee (FK) streicht Woelki von der Gästeliste für die „Pripro“. Im Jahr 2023 lädt es ihn erst gar nicht ein. Der Grund dafür ist die Abmahnung des Pfarrers von Mettmann, der in einem Gottesdienst auch gleichgeschlechtliche Paare gesegnet hat. „Kölschfässer und Rosenmontagswagen segnen, aber sich liebende Menschen nicht? Kein Verständnis!“, heißt es vom Festkomitee zu einem Foto des Erzbischofs bei der Segnung eines Pittermännchens. Vor der Inthronisierung des Dreigestirns in der Session 2024/25 ist der Kardinal kein Thema mehr.
Und die „Stunker“? Nach einer Nummer über „des Teufels Kardinal“ 2022/23 nehmen sie ihn im Jahr darauf aus dem Programm. Endgültig. „Wir sind es leid. Wie lange denn noch?“, sagt Sprecher Winni Rau, und Ecki Pieper, Frontmann der Stunksitzungsband „Köbes Underground“, ergänzt: „Wir ignorieren den jetzt einfach.“ Für jemanden, der in Köln etwas zu melden haben will, ist das die kabarettistische Höchststrafe.
Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn möchte „nach vorn blicken“
Dem Festkomitee kommen allerdings mittlerweile Zweifel, ob sich das konsequente Ausgrenzen auf Dauer durchhalten lässt. „Karneval und Kirche gehören eng zusammen, und das soll auch in Zukunft so bleiben“, sagt Präsident Christoph Kuckelkorn. „Wir möchten daher nach vorne blicken und freuen uns auf den Austausch mit allen Ebenen der Kirche. Klar ist aber, dass wir auch künftig offen Kritik äußern werden, wenn wir es für notwendig halten. So etwas muss man aushalten können, ohne gleich alles in Frage zu stellen.“ Wer will, kann das als eine Art Lockerungsübung interpretieren.
Beim Erzbistum ist man sich darüber im Klaren, dass es im gegenseitigen Verhältnis einiges zu reparieren gibt. Kommunikationschef Eberhardt erinnert an den jüngsten Konfliktfall, den Mottowagen zum Thema Missbrauch im Rosenmontagszug 2025. Woelkis Amtsleiter Frank Hüppelshäuser sah darin eine nicht zu rechtfertigende Grenzüberschreitung. Vor diesem Hintergrund, so Eberhardt, müsste zwischen Karneval und Kardinal erst mal wieder ein „Bonding“, eine emotionale Beziehung, aufgebaut worden.
Ist es egal, wo der Kardinal auftritt und wo nicht?
Aber braucht es das überhaupt? Für wen ist es von Bedeutung, ob der Erzbischof im Karneval oder andernorts im öffentlichen Raum präsent ist? Der Kölner Diözesanrat will sich dazu nicht äußern. Vom Vorsitzenden Tim Kurzbach geht die Sage, für die Arbeit des Laien-Dachverbands sei es ihm egal, wo der Kardinal auftritt und wo nicht.

Der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Woelki, im Jahr 2014 bei einem Spiel des 1. FC Köln im Rhein-Energie-Stadion
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Die Theologin Nothelle-Wildfeuer widerspricht: „Es geht doch um die Frage, ob die Kirche am Leben der Menschen Anteil nimmt, ohne immer gleich selbst das Wort zu erheben und zu predigen. Wo ist man mehr mit den Menschen unterwegs als da, wo sie miteinander feiern, miteinander lachen und weinen? Also auch im Karneval oder im Stadion, zumal so ein Fußballspiel ja selbst eine Liturgie eigener Art ist.“
Für Gregor Stiels, den Vorsitzenden des Kölner Katholikenausschusses, ist es „generell wichtig, dass die Kirche sich zu politischen und gesellschaftlichen Fragen äußert“. Als Beispiel nennt er den Umgang mit der AfD und den Unvereinbarkeitsbeschluss der deutschen Bischöfe. Und dem habe Woelki ja zugestimmt – als Teil der Bischofskonferenz. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Das Erzbistum Köln erklärt Woelkis Rückzug mit pastoralen Schwerpunktsetzungen
Dass Woelki sich öffentlich so augenfällig rar macht, könnte am Ende sogar Strategie sein, mutmaßt Theologieprofessor Hans-Joachim Höhn. Genauer gesagt, eine Vierfach-Strategie.
Element eins: Normalitätssimulation. „Indem Woelki konfliktträchtige Auftritte meidet, lässt er etwaigen Gegenwind erst gar nicht entstehen. Nach Rom kann er dann berichten: Alles wieder friedlich am Rhein.“
Element zwei: Relevanzsimulation. „Wer als öffentliche Person nicht in Erscheinung tritt, möchte vermisst werden. Sobald das Fehlen auffällt und Nachfragen kommen, erweckt das zumindest den Anschein, dass mehr Präsenz doch gut und wichtig wäre.“
Element drei: Verschleierung von Inkompetenz. „Ich halte mich aus dem öffentlichen Diskurs heraus, damit nicht herauskommt, dass ich eigentlich nichts zu sagen und nichts Substanzielles beizutragen habe.“
Und schließlich Element vier: Souveranitätssimulation. „Als Erzbischof stehe ich weit über den Dingen und begebe mich nicht in die Niederungen des politischen Klein-Kleins mit all seinen Scharmützeln. Sonst wäre es um meine herausgehobene Position geschehen.“

Kurz nach dem Ende seiner vom Papst angeordneten Auszeit posiert Kardinal Rainer Woelki im März 2022 zum Beginn der Bauarbeiten für den Erzbischöflichen Bildungscampus in Köln-Kalk.
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Woelki-Sprecher Eberhardt wiederum erklärt Woelkis Abwesenheit im öffentlichen Raum – „da haben Sie schon einen Punkt!“ – als bewusste pastorale Schwerpunktsetzung. Der Fokus des Erzbischofs liege derzeit vor allem „auf der Gestaltung der großen Transformationsprozesse“ im Erzbistum. Es geht um Pfarreifusionen und die künftige Finanzverteilung. Zu diesen kniffligen Fragen sei der Kardinal „mit den Mitarbeitenden im Generalvikariat, den leitenden Pfarrern und den vielen Engagierten, wie etwa im Diözesanpastoralrat oder dem Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat, im ständigen Austausch“. Daher, so Eberhardt weiter, „mussten zuletzt auch öffentliche Termine vermehrt abgesagt werden“.
Welche das genau waren, bleibt offen. Auch zur Frage nach offiziellen Begegnungen mit Spitzenvertretern aus Politik, Gesellschaft und Kultur lässt Eberhard lediglich wissen, es gebe sie regelmäßig. „Diese Formate dienen vor allem dem offenen Gedankenaustausch und finden daher in der Regel in einem vertraulichen Rahmen statt.“ Auch hier: Nichts Konkretes.
Ermittlungen wegen Meineidverdachts „belasten den Kardinal heftig“
Aus dem Juni 2023 ist zumindest ein Treffen mit Hendrik Wüst überliefert. Aus Regierungskreisen verlautet, es habe in Düsseldorf auf Wunsch des Erzbischofs stattgefunden – just am Tag vor einer Razzia der Staatsanwaltschaft bei Woelki. Die laufenden Ermittlungen seien aber ausdrücklich nicht Thema gewesen. Vielmehr sei es um „aktuelle, insbesondere kirchenpolitische Themen“ gegangen. Der Hintergrund: Wüst hatte im März 2023 bei einer Privataudienz im Vatikan mit Papst Franziskus über die Vertrauenskrise im Erzbistum Köln gesprochen. „Viele Menschen sehen die Situation mit Sorge, auch ich persönlich“, sagte Wüst im Anschluss.

Fotografen und Kameraleute umringen einen Wagen der Kölner Strafverfolgungsbehörden in der Einfahrt zum erzbischöflichen Haus in Köln. Im Rahmen einer Ermittlung wegen Meineid-Verdachts durchsuchen die Ermittler im Juni 2023 den Dienst- und Wohnsitz des Kölner Erzbischofs Kardinal Rainer Woelki.
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Was die seit mehr als zwei Jahren laufenden Ermittlungen der Kölner Strafverfolger betrifft, spricht Eberhardt von einer „Crux für alle Beteiligten“. In dem Verfahren geht es um den Verdacht, dass Woelki zu seinen Kenntnissen über Missbrauchsfälle die Unwahrheit gesagt hat –auch unter Eid, was eine Straftat wäre. Der Kardinal beteuert seine Unschuld. Das Verfahren, sagt Eberhardt, belaste den Kardinal „scho n heftig. Er wäre happy, wenn dieser Rucksack endlich leichter würde.“
Aber auch die Staatsanwaltschaft könne einem „ein bisschen leid tun“, so Eberhardt. Sollte sie das Verfahren einstellen, würde ihr vorgeworfen, sie habe sich von der Kirche einwickeln lassen. Sollte sie hingegen Anklage erheben, „würden unsere gewieften Juristen auf alle Barrikaden gehen“. Wann die Staatsanwaltschaft zu einer Entscheidung kommt, ist unklar. Behördensprecher Ulrich Bremer nennt keine genauen Termine mehr. Zuletzt sprach er vage vom Frühsommer – möglicherweise.
Kölner OB Reker plant „aktuell keine Begegnungen mit dem Kardinal“
Seitens der Kölner Stadtspitze kann derweil von einer Annäherung an den Erzbischof keine Rede sein. OB Henriette Reker wird das heikle Thema auf den letzten Metern ihrer Amtszeit bis zur Kommunalwahl im September nicht mehr angehen. „Der Kardinal wird, wie üblich, von der Stadt Köln grundsätzlich zu Ereignissen von überregionaler Bedeutung eingeladen, etwa zur Konrad-Adenauer-Preisverleihung. Darüber hinaus sind aktuell keine Begegnungen zwischen der Oberbürgermeisterin und dem Kardinal geplant.“ Deutlicher als in dieser schriftlichen Antwort auf eine Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ kann man das nicht formulieren.
Bei der evangelischen Kirche läuft es auf das Gleiche hinaus. Der rheinische Präses Thorsten Latzel hatte 2022 aufgrund der Querelen um Woelki den traditionellen Adventsgottesdienst mit dem Kardinal kurzfristig abgesagt. Die gemeinsame Feier sei aufgrund der „Ereignisse im Erzbistum Köln“ nicht angeraten. Es würde einzig die Frage einer Positionierung in der inner-katholischen Auseinandersetzung wahrgenommen, hieß es damals. Und heute? Mabe man „neuere ökumenische Formate“ entwickelt, sagt Cornelia Breuer-Iff, Sprecherin der Landeskirche. „Die funktionieren gut.“ Heißt, selbst wenn Breuer-Iff es ausdrücklich so nicht formulieren will: Auch ohne Kardinal.
An der katholischen Basis wird das genau so gesehen. „Wichtig ist, was vor Ort passiert“, sagt Gregor Stiels. „Das Leben in den Gemeinden funktioniert vielerorts nicht mit dem Kardinal, sondern trotz des Kardinals. Er sollte die Leute machen lassen und ihnen einfach nicht in die Quere kommen.“
Mittlerweile, glaubt Stiels, habe Woelki „geschnallt, wie sehr er sich selbst ins Abseits gestellt hat. Dass sich das grundlegend ändert, werden wir in seiner Amtszeit nicht mehr erleben.“ Im August 2031 wird Woelki 75, erreicht damit die Altersgrenze für Bischöfe. Eine Verlängerung bis 80 kann der Papst erlauben. Noch mindestens sechs Jahre also Suche nach dem Hirten. (mit lw)