Warum die Kölner die Zeit zwischen den Jahren so gerne mit sinnlosen Beschäftigungen verbringen.
Satirischer WochenrückblickAlle Zeit der Welt zwischen den Jahren


Köln: Ein Weihnachtsstern leuchtet am Domvorplatz.
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Zu meinen liebsten Vergnügungen in dieser besonderen Zeit zwischen den Jahren zählen abendliche Spaziergänge durch die Veedel. Der Blick durch die Fenster in still erleuchtete Wohnungen ist beruhigend und inspirierend zugleich. Schön, dass ich offenbar nicht der Einzige bin, bei dem die Gemütlichkeit über Weihnachten Einzug hält, obwohl sie niemand bewusst hereingelassen hat.
Sie ist einfach da und hat ihre seelenlose Schwester, die Entschleunigung, nach der wir uns alle da ganze Jahr über sehnen, sie aber nie zu packen kriegen, einfach vor die Tür gesetzt.
Genau jetzt, zwischen den Jahren, haben wir alle Zeit. Alle Zeit der Welt für Müßiggang, für vermeintlich sinnlose Tätigkeiten. Zum Beispiel Zeit, um aus den Korken an Heiligabend geleerter Weinflaschen unter Einsatz gebrauchten Geschenkpapiers, Resten von Alufolie, Schleifenbändern und glitzernden Pfeifenreinigern Weihnachtsengel fürs nächste Jahr zu basteln, die dann als Seelenbaumler den Baum schmücken könnten.
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Seelenbaumler für den Weihnachtsbaum 2026
Wie beruhigend. Und ich hatte mir schon Gedanken gemacht, ob es nicht verrückt ist, stundenlang an einem mindestens 50 Jahre alten Schaltpult herumzubasteln, damit auf der Fensterbank endlich zwei mit Mini-Weihnachtskugeln beladende Züge zwischen Miniatur-Nikoläusen unabhängig voneinander fahren können, ohne dass es zu einer Kollision kommt.
Doch das ist alles nichts gegen das Schrottwichteln an einer langen Tafel, das gerade hinter einem Fenster in einem der kleinsten Veedel Kölns allen offenbar großes Vergnügen bereitet. Unter viel Gejohle und Gelächter wird ein Kirschen-Entkerner aus DDR-Plastik wie ein Wanderpokal beim Würfeln immer weitergereicht. Keiner will ihn haben, obwohl sich laut Kartonaufdruck mit dieser Gerätschaft zehn Kilo Kirschen in einer Stunde entsteinen lassen.
Gefühlt hinter jedem dritten Fenster wird gehäkelt oder gestrickt. Der Zustand des Adventskranzes verrät nach vier Wochen Vorfreude aufs Fest erstaunlich viel über seinen Besitzer. Da gibt es die Rundum-Kerzen-Abbrenner, bei denen alle vier Lichter unbedingt an Heiligabend die gleiche Höhe aufweisen müssen, weshalb sie in weiser Voraussicht Reserve-Kerzen gebunkert haben.
Der Kölner zählt in der Regel nicht dazu. Bei ihm ist am Tag von Christi Geburt vom ersten Advent nur noch ein Stummel übrig, der sich kaum mehr entflammen lässt. Aber das ist ihm egal. Für ihn kann das Christkind auch mit drei Lichtern auf die Welt kommen. Das darf alle Welt auch ruhig durch sein Fenster betrachten. Der Kölner räumt auch nur ungern die Küche auf. Schon gar nicht an Weihnachten und zwischen den Jahren, wenn es gerade so schön gemütlich ist.

