Ian Bostridge und das Oberon Trio mit Werken von Schubert, Clara Schumann und Mahler in der Kölner Philharmonie.
Ian Bostridge in der Kölner PhilharmonieWeniger ist manchmal mehr

Das Oberon Trio
Copyright: Felix Broede
Wer wollte bestreiten, dass in aller romantischen Kammermusik ein Lied schläft? Der Tenor Ian Bostridge und das Oberon Trio gingen im Rahmen der philharmonischen Liedreihe aber noch einen Schritt weiter: Sie präsentierten die beiden Genres nicht nur in sinnstiftender Nachbarschaft, sondern in wechselseitiger Durchdringung. Zu diesem Zweck hatte der Essener Komponist und Hochschullehrer Matthias Schlothfeldt das komplette Liedprogramm des Abends für Tenor, Violine (Henja Semmler), Cello (Antoaneta Emanuilova) und Klavier (Jonathan Aner) umgeschrieben.
Ein großer Gewinn war mit diesen Bearbeitungen nicht verbunden, im Gegenteil: Fragile Liedgespinste wie Schuberts „Du bist die Ruh“ leben von der innigen Zwiesprache zwischen Gesang und Klavier, sie vertragen die räumliche und klangfarbliche Ausweitung eher schlecht. Oft gab auch die reine Substanz der Begleitungen die geforderte Vielstimmigkeit nicht her; so kam es zu unschönen Dopplungen in der Linie - oder zu etwas fragwürdig zukomponierten Klavier-Figuren wie in Mahlers „Liebst du um Schönheit“.
Subtile Sprach-Klangkunst
Am wenigsten störten die Eingriffe bei einer Reihe stabil und generös gesetzter Clara-Schumann-Lieder. Verbindendes Element im Programm waren die Texte, die allesamt aus der Feder Friedrich Rückerts stammten. Dessen subtile, zuweilen auch leicht preziöse Sprach-Klangkunst war für die Komponisten der Romantik ein unerschöpflicher Quell.
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Ein Sänger, dessen Stilistik so sehr vom minutiös gestalteten Wort her kommt wie Bostridge, wird hier natürlich in besonderer Weise inspiriert. Mitunter auch ein bisschen zu sehr: Am deutschen Sprachgefühl des Briten ist nicht zu zweifeln, aber manche Vokale waren schon arg zerdehnt, Diphtonge überzeichnet - da wurde aus jedem „Mein“ ein „Ma-in“. Ian Bostridge hat im vergangenen Jahr seinen 60. Geburtstag gefeiert. In diesem Alter wird es für Tenöre erfahrungsgemäß schwerer, die Körperspannung für große Phrasen zu halten. Auch Bostridge bleibt von solchen Veränderungen nicht verschont. Seine helle Jugendfarbe hat er sich gleichwohl erhalten, auch das weite Spektrum zwischen scheuer Sensitivität und leidenschaftlichem Ausbruch.
Offenbar hadert er aber zuweilen selbst mit seinem Singen: Das heikle Schlussstück des Programms, Mahlers „Ich bin der Welt abhanden gekommen“, brachte er als Zugabe gleich noch einmal, opferte so die singuläre Aura des Liedes dem sängerischen Zweitversuch. Das kann man eigentlich nicht machen. Mit dem Oberon Trio hatte Bostridge drei verlässliche und aufmerksam mitsingende Partner zur Seite, die in Auszügen aus Schuberts Es-Dur-Trio und dem Klaviertrio g-moll von Clara Schumann auch eigene Akzente setzten. Auffällig war besonders bei Schubert die durchsichtige, klassisch feinzeichnende Gestaltung, zu deren Nutzen der Pianist das Pedal, die Streicher das Vibrato merklich reduzierten.