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Budapest Festival Orchestra in der PhilharmonieÜberzeugendes Plädoyer für einen wenig gespielten Strauss

3 min
Iván Fischer

Der ungarische Dirigent Iván Fischer zeigte in Köln mit seinem Budapest Festival Orchestra eine perfekt einstudierte Leistung.

Das Budapest Festival Orchestra lieferte in der Kölner Philharmonie nach einer unkonventionellen Ouvertüre eine beeindruckende Leistung.

Sündige Frau begehrt gottesfürchtigen Mann - dieses Thema hat Richard Strauss nicht nur in seiner Oper „Salome“ behandelt, sondern auch in dem 1914 vollendeten Ballett „Josephs Legende“. Hier wird gleichfalls ein biblischer Stoff aufgegriffen: Joseph, Sohn des Stammvaters Jakob, wurde als Sklave nach Ägyten verkauft. Er gelangt in das Haus des Staatsbeamten Potiphar, dessen Frau vergeblich versucht, ihn zu verführen. Anders als Jochanaan in der „Salome“ darf der keusche Joseph seinen Kopf am Ende aber behalten. Frau Potiphar erdrosselt sich selbst mit ihrer Perlenkette und Joseph schreitet an der Seite eines Engels unter gleißenden G-Dur-Akkorden ins Licht.

„Josephs Legende“ in voller Länge

„Josephs Legende“, für Sergej Diaghilew und seine berühmten „Ballets russes“ komponiert, steht in der Gunst der Interpreten nicht besonders hoch. Auf der Ballettbühne ist das Stück kaum je zu erleben; im Konzertsaal wird - wenn überhaupt - eher das „Symphonische Fragment“ gespielt, das der Komponist noch im Entstehungsjahr aus der Partitur extrahierte.

Das Budapest Festival Orchestra hatte bei seinem Besuch in der Kölner Philharmonie nun aber die komplette, eine gute Stunde dauernde Ballettmusik im Gepäck. Da gab es fraglos Längen und Redundanzen, wie das bei einem konzertant gebotenen Bühnenwerk kaum je ausbleibt - aber am Ende gelang den ungarischen Gästen doch ein rundum überzeugendes Plädoyer für das Stück, das es an Farbkraft, Schwung und purem sinnlichen Klangreiz mit den besten Werken des Meisters aufnehmen kann.

Perfekt einstudierte Orchesterleistung

Dafür muss man es allerdings auch so spielen wie die Budapester unter Leitung ihres Chefs Iván Fischer: Das war eine in jeder Hinsicht perfekt einstudierte, wie ein Uhrwerk abschnurrende Orchesterleistung. Fischer ist kein Mann der Spontaneität, kein Musiker, der das Gelingen der Gunst des Abends überlässt. Hier war jedes Detail an seinem Platz, jede Steigerung schlüssig aufgebaut, jede Klanglegierung sorgfältig austariert. Die kalte Glut der Geigen in der höchsten Lage beeindruckte ebenso sehr wie die enorme Staffelung der Farbhierarchie in den Tiefenregionen des Orchesters.

Vielleicht hatten sich die Musiker schon im Vorfeld sehr auf dieses tönende Kolossalgemälde aus der Spätestphase der Gründerzeit eingestellt. Jedenfalls kam auch Felix Mendelssohn Bartholdys deutlich bescheidener dimensioniertes Violinkonzert e-Moll im Orchesterklang auffallend wuchtig und breit aufgezogen daher. Der fabelhafte Solist Renaud Capuçon hielt nicht mit großer Geste dagegen, sondern spielte wie gewohnt mit zurückhaltendem Ernst, dicht in der Linie, lauter in der Emotion. Das ausgesprochen sportliche Tempo im Finale ging gänzlich auf seine Kappe, aber Orchester und Maestro ließen sich davon willig befeuern. Für den Beifall bedankte sich der Franzose mit seiner Lieblings-Zugabe, einer melancholisch verhangenen Ballettmelodie aus Glucks „Orpheus“, bei der es im Saal sehr, sehr still wurde.

Das Orchester hatte den Abend mit einer ungewöhnlichen Ouvertüre begonnen, einem a-cappella-Lied von Mendelssohns Schwester Fanny Hensel, das achtbar, aber natürlich nicht auf professionellem Chorniveau bewältigt wurde. Grundsätzlich ist es eine gute Idee, dass die Musiker zusammen singen und auf diese Weise ihr Kollektiv mal außerhalb der eingeschliffenen Strukturen erleben. Und wenn sie das Resultat unbedingt öffentlich vorführen wollen, dürfen sie das natürlich auch gerne tun.