Die AfD jubelt zu Unrecht über die Stillhalte-Erklärung des Verfassungsschutzes. Hier gilt: „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“.
Kölner JuristDie AfD hat keinen Teilerfolg gegen den Verfassungsschutz errungen

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die AfD als „gesichert extremistisch“ eingestuft.
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Dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) Anfang Mai verkündete, die AfD fortan nicht mehr nur als „Verdachtsfall“ einzustufen, sondern sogar als „gesichert extremistisch“, kam für viele Beobachter wenig überraschend. Ebenso erwartbar reagierte die neurechte Partei schnell und erhob Klage beim Verwaltungsgericht Köln. Zugleich leitete sie ein gerichtliches Eilverfahren ein.
Wenige Tage später erklärte das BfV, die Hochstufung bis zur Entscheidung der Justiz über den Eilantrag auszusetzen. Hat die AfD damit einen symbolisch wichtigen Teilerfolg errungen? Die Antwort lautet eindeutig: Nein.
Selbst bei einfachen Streitigkeiten dauern Gerichtsverfahren in Deutschland oft viele Monate, in komplexeren Fällen auch Jahre. Das ist in der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht anders als an den für Zivil- und Strafsachen zuständigen ordentlichen Gerichten. Fast alle Kläger empfinden das Warten als belastend – zumal die endgültige Entscheidung der Justiz in manchen Fall tatsächlich auch zu spät kommen kann. Man denke etwa an das Verbot einer Demonstration durch die Behörden, das von den Verwaltungsgerichten erst Monate später für rechtswidrig erklärt wird: Die Versammlung hatte dann trotz des späteren gerichtlichen Siegs nicht stattfinden können.
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In solchen Fällen lohnt es sich, vorläufigen Rechtsschutz zu beantragen. Das Gericht prüft dann die Erfolgsaussichten der eigentlichen Klage und trifft übergangsweise eine Regelung. Mit Blick auf die AfD war allerdings selbst auf dem Eilweg nicht mit einer raschen Entscheidung zu rechnen.
Kölner Verwaltungsrichter müssen unzählige Belege bewerten
Denn die entscheidende Frage, ob sich genügend Aussagen aus den Reihen der AfD herausfinden lassen, um die Partei als „gesichert extremistisch“ qualifizieren zu können, ist am Ende eine Frage des Klein-Kleins. Die Kölner Verwaltungsrichter müssen unzählige Belege auf den 1108 Seiten des Hochstufungs-Gutachtens lesen und bewerten. Eine vorläufige Einschätzung ist aufgrund dieser Komplexität kaum möglich.
Angesichts dessen mussten die Verfassungsschützer mit einem sogenannten Hängebeschluss des Verwaltungsgerichts Köln rechnen – also einem richterlichen „Stopp-Signal“, das den Eintritt irreversibler Nachteile für die AfD vorläufig verhindern soll. Ein solches gerichtliches „Einfrieren“ des bisherigen Zustands sagt nichts (also auch nichts Vorläufiges) zur Frage, wie erfolgreich der eingelegte Rechtsbehelf voraussichtlich ist. Mit seiner Zusage, aus eigener Entscheidung heraus bis zum Abschluss des Eilverfahrens stillzuhalten, ist der Verfassungsschutz diesem Schritt zuvorgekommen; ein typisches Vorgehen in derartigen Fällen.
Beamte mit AfD-Mitgliedschaft könnten überprüft werden
Der baldige Erlass eines Hängebeschlusses war deshalb wahrscheinlich, weil die Hochstufung für die AfD spürbare Nachteile mit sich bringt. Dies betrifft vor allem Beamte, die der Partei angehören. Zwar ginge es zu weit, zu sagen, dass Staatsdiener, die über ein AfD-Parteibuch verfügen, allesamt um ihren Arbeitsplatz bangen müssten.

Markus Ogorek ist seit 2020 Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Universität zu Köln.
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Dennoch hätten sich jedenfalls Polizisten und Lehrer, weil sie den Staat in besonderer Weise repräsentieren, vermutlich schon bald einer strengen Prüfung ihrer Verfassungstreue ausgesetzt gesehen. Die Bewertung als „gesichert extremistisch“ kann zudem für Jäger und andere Personen bedeutsam sein, die aus beruflichen Gründen eine Waffe tragen – etwa als Angehörige privater Sicherheitsdienste. Wird die zuständige Behörde über die Mitgliedschaft in einer „gesichert extremistischen“ Vereinigung informiert, droht regelmäßig der Entzug von waffenrechtlichen Erlaubnissen.
Verfassungsschutz hält an AfD-Bewertung fest
All diese möglichen Folgen sind durch die Stillhaltezusage bis zum Abschluss des Eilrechtsschutzverfahrens nun aufgeschoben. Hier gilt jedoch die Redewendung „aufgeschoben ist nicht aufgehoben“. Das BfV hält nämlich unverändert an seiner Bewertung der AfD fest, auch wenn es vorerst von der Partei nicht mehr als „gesichert extremistisch“ sprechen wird.
Es ist daher irreführend, wenn die AfD die Stillhalteerklärung der Verfassungsschützer als ersten Teilerfolg verkaufen will. Das „Einfrieren“ eines Rechtszustands schützt nicht nur jene, die sich am Ende vor Gericht durchsetzen. Vielmehr gewährleisten ein Hängebeschluss und die ihn abwendende Stillhaltezusage, dass bis zur abschließenden Klärung durch die Justiz keiner der Verfahrensbeteiligten unter die Räder kommt. Genau darin liegt die Stärke unseres Rechtsstaats: Er bewahrt Haltung, wo andere längst zum Gegenschlag ausholen würden.