NRW und den Kommunen drohen durch die geplanten Steuererleichterungen für die Wirtschaft bis 2029 Mindereinnahmen von 6,7 Milliarden Euro. Was der NRW-Ministerpräsident jetzt fordert.
„Wer bestellt, muss bezahlen“Wüst fordert Ausgleich für Steuerausfälle durch Konjunkturprogramm

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) fordert einen vollständigen Ausgleich der Steuerausfälle beim Land und den Kommunen durch das geplante Sofortprogramm der Bundesregierung zur Belebung der Wirtschaft.
Copyright: Thomas Banneyer/dpa
Der geplante „Wachstumsbooster“ für die kriselnde Wirtschaft, den die Bundesregierung als Sofortprogramm noch vor der Sommerpause beschließen will, darf aus Sicht des NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) nicht zulasten der Länder und Kommunen geben.
Vor der Konferenz der Länderchefs am heutigen Mittwoch mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in Berlin stellte Wüst am Dienstag in Düsseldorf klar, dass zu erwartende Steuerausfälle für die Länder und Gemeinden vom Bund ausgeglichen werden müssen. Das Konnexitätsprinzip „Wer bestellt, bezahlt“ sei im Koalitionsvertrag von CDU und SPD fest vereinbart und müsse nun zur Anwendung kommen. „Wir schwimmen hier nicht wie das Fett auf der Suppe“, sagte Wüst.
Das von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) geplante Investitionsprogramm sei nach drei Rezessionsjahren die richtige Entscheidung, werde aber bis 2029 zu Steuerausfällen von 48,5 Milliarden Euro führen, von denen rund 30 Milliarden auf die Länder und Kommunen entfallen.
Alles zum Thema Hendrik Wüst
- Wüst zieht Zwischenbilanz „Grüner Stahl hat in NRW eine Zukunft“
- Sorge um NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach ist an Krebs erkrankt
- Opposition nennt Wüst „Herr Tutnix“ Ist Klimaschutz der Sargnagel für die NRW-Wirtschaft?
- Olympische Spiele Gut Lärchenhof in Pulheim ist als Gastgeber für Golfturnier im Gespräch
- Olympia an Rhein und Ruhr Temporäres Stadion und Athletendorf für Köln oder Essen geplant
- Mona Neubaur „Ich lasse mir von Friedrich Merz nicht auf der Nase herumtanzen“
- Unternehmertag NRW-Arbeitgeber geben neuer Regierung Vorschusslorbeeren
Land und Kommunen fehlen 6,7 Milliarden Euro bis 2029
Allein der NRW-Landeshaushalt würde ohne finanziellen Ausgleich bis 2029 mit 3,7 Milliarden Euro belastet, sagte Wüst. „Auf die Kommunen kommen noch einmal drei Milliarden Euro zu. Niemand würde verstehen, wenn wir wegen dieser Steueranfälle bei staatlichen Kernaufgaben sparen müssen.“ Ein „Wachstumsbooster“ ohne einen Ausgleich der Steuerausfälle für die Länder und Kommunen sei für NRW „nicht zustimmungsfähig“.
Die Bundesregierung plant unter anderem bessere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen bei Anschaffungen. Im Anschluss soll die Körperschaftssteuer schrittweise auf zehn Prozent im Jahr 2032 gesenkt werden.
Auch bei der Lösung der Altschulden-Problematik und der Ausgestaltung des Sondervermögens von 500 Milliarden Euro werde es „auf ein gutes Miteinander ankommen. Die neue Bundesregierung hat die Chance, ein neues Kapitel in den Beziehungen mit den Ländern aufzuschlagen. Weder das Sondervermögen für Investitionen noch die neuen Verschuldungsspielräume für die Länder waren jemals für die Zustimmung zum Sofortprogramm verabredet. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, sagte Wüst.
Bund soll Beitrag zum Abbau der Altschulden leisten
Überdies müsse Bundesfinanzminister Klingbeil noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf zum Abbau der Altschulden vorlegen, sagte Wüst. Das Land hatte im Juni 2024 entschieden, ab 2025 dafür jährlich 250 Millionen Euro bereitzustellen - und das über einen Zeitraum von 30 Jahren. Der Bund müsse sich in gleicher Weise beteiligen.
„Wenn die Altschulden-Problematik nicht geregelt wird, werden in NRW viele Kommunen keinerlei Zugriff auf die Investitionsmittel aus dem Sondervermögen haben. Wer Straßen, Kindergärten, Schulen sanieren will, braucht Personal, um das abzuwickeln“, so Wüst. Die Kommunen müssten in die Lage versetzt werden, Ingenieure einzustellen oder Ausschreibungen für Ingenieursleistungen vorzunehmen. „Wir müssen schnell ins Umsetzen kommen. Geld allein saniert keinen Kindergarten. Wem das Wasser bis zum Hals steht, der hat diese Spielräume nicht zur Verfügung.“ Vor den Kommunalwahlen im Herbst müsse es darum gehen, Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates vor Ort zurückzugewinnen.
Koalition steht unter Zeitdruck
Die Zeit drängt. Wenn das Sofortprogramm eine schnelle Wirkung entfalten soll, muss es am 11. Juli von den Ländern im Bundesrat abgesegnet werden. Wüst zeigte sich optimistisch, dass man beim heutigen Treffen mit dem Bundeskanzler in Berlin einen Schritt weiterkommen werde. „Ich bin guten Mutes“, so Wüst. Grundsätzlich bestehe Einigkeit darüber, das Programm ohne den Umweg über den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zu verabschieden.
„Diese Bundesregierung hat sich vorgenommen, schnell und viel wegzuarbeiten. Weniger Streit, weniger Arbeit, das ist für die Demokratie förderlich“, so der Ministerpräsident. „Natürlich gehen wir mit dem Anspruch einer vollständigen Kompensation auf den Bund zu.“ Möglich sei am Ende aber auch eine Kompensation zu 90 Prozent, wenn es eine verlässliche und dauerhafte Regelung gäbe.