Was ist wichtiger: Ein Grußwort bei einer Hilfsorganisation sprechen oder die Regierungsbank drücken? NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat Prioritäten gesetzt - für die er sich jetzt rechtfertigen muss.
Vorwürfe gegen Innenminister Herbert Reul (CDU)Grußwort war wichtiger als Plenarsitzung

Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, sitzt im Plenum des Landtags während einer Aktuellen Stunde zu Jugendkriminalität.
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NRW-Innenminister Herbert Reul sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, gegen die parlamentarischen Gepflogenheiten im Düsseldorfer Landtag verstoßen zu haben. Es geht darum, dass der CDU-Politiker am Mittwochabend Teile einer Debatte verpasst hatte, weil er zu diesem Zeitpunkt eine Rede beim Parlamentarischen Abend der Hilfsorganisation Johanniter im Landtag gehalten hatte.
Auf der Tagesordnung der Sitzung stand am Mittwochabend um kurz vor 20 Uhr unter Punkt 16 die Debatte zum Beschäftigtenschutzgesetz der Landesregierung. Bei dem Vorhaben geht es um die Frage, wie die Behördenmitarbeiter wirksam gegen Angriffe von aggressiven Besuchern geschützt werden können. Reul traf erst nach Beginn der Aussprache ein – die FDP-Fraktion hatte beantragt, dass der Minister herbeigerufen werden sollte.
Als der Politiker aus Leichlingen eintraf, entschuldigte er sich mit dem Hinweis, beim Parlamentarischen Abend der Johanniter gesprochen zu haben. Marcel Hafke, Parlamentarischer Geschäftsführer der Liberalen im Landtag, hat kein Verständnis für Reuls Prioritätensetzung. „Dass die Landesregierung bei der Beratung ihres eigenen Gesetzentwurfs nicht anwesend ist, ist eine Respektlosigkeit gegenüber dem Parlament“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es „spreche Bände“, dass der Innenminister lieber Grußworte halte, als seine eigene Politik im Parlament der Öffentlichkeit zu erklären. Gerade bei einem Gesetz zum Schutz der im Dienst für das Gemeinwesen stehenden Beschäftigten sei „die Präsenz des zuständigen Ministers ein Gebot des Respekts“, so Hafke. „Der schwarz-grüne Regierungsmodus – Politik im Hinterzimmer, für die Öffentlichkeit PR-Termine – produziert nicht nur schlechte Ergebnisse, sondern tut auch unserer demokratischen Kultur nicht gut“, kritisierte der Politiker aus Wuppertal.
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Der Innenminister wies die Vorwürfe der FDP auf Anfrage unserer Zeitung zurück. „Respekt vor dem Parlament ist und bleibt für mich – zumal ich selbst Abgeordneter bin – selbstverständlich“, sagte Reul. „Genauso selbstverständlich ist für mich allerdings, denjenigen Menschen Respekt zu zollen, die sich tagtäglich ehrenamtlich für andere einsetzen – erst recht, wenn diese aus dem ganzen Land extra in den Landtag nach Düsseldorf kommen“, fügte er hinzu. Der Parlamentarische Abend der Johanniter sei ein wichtiger Termin gewesen, bei dem es um die Würdigung des ehrenamtlichen und hauptamtlichen Engagements im Bevölkerungsschutz gegangen sei.
Während seiner Rede vor den Johannitern habe er einen Anruf mit dem Hinweis erhalten, dass die Plenardebatte nun beginnen würde. Dass er sein Grußwort anschließend nicht unterbrochen, sondern noch beendet habe, sei Ausdruck der Wertschätzung für die Johanniter, erklärte Reul. Dies habe er den Abgeordneten im Plenum auch so gesagt und sich für das Fehlen zu Beginn des Tagesordnungspunktes entschuldigt - insbesondere bei seinem Parteikollegen Jörg Geerlings, dessen Rede er verpasst habe. „Selbstverständlich habe ich die weitere Debatte zum Beschäftigtenschutzgesetz persönlich begleitet“, betonte der Innenminister. „Wer aus einem eng getakteten Terminablauf jetzt einen Vorwurf konstruiert, verkennt sowohl die Abläufe eines intensiven Landtagsalltags als auch den Stellenwert, den ich sowohl dem Parlament als auch den Hilfsorganisationen beimesse“, wehrte sich Reul.
Parlamentarische Abende finden an den Plenartagen im Düsseldorfer Landtag regelmäßig statt. Sie werden von Verbänden und Interessenvertretungen organisiert und dienen dazu, einen Austausch mit der Politik zu ermöglichen und Kontakte zu pflegen. Neben den fachlichen Diskussionen wird auch die gemeinsame Geselligkeit von Teilnehmern geschätzt.
