Die Familie von Christian Pfeil wurde 1940 deportiert, seine Erlebnisse schildert er den Schülerinnen und Schülern in Leverkusen.
„Es ist meine Pflicht“Holocaust-Überlebender besucht Berufskolleg in Opladen

Der Holocaust-Überlebende Christian Pfeil (M.) und sein Neffe Sacha Höhn (2.v.r.) nahmen an einer Veranstaltung im Berufskolleg in Opladen teil.
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„Ein Wunder, dass ich überlebt habe“, erklärt der mittlerweile 82 Jahre alte Christian Pfeil und blickt damit zurück – zurück auf die ersten Jahre seines Lebens. Denn Pfeil wurde im Ghetto geboren, vermutlich im Januar 1944, allerdings bestätigt er, dass sich das genaue Geburtsdatum nicht nachverfolgen lässt.
Der Trierer Sinto Pfeil war am Mittwoch, 29. Oktober 2025, zu Gast im Berufskolleg Opladen – um aufzuklären, Fragen von Teenagern zu beantworten und aus seinem Leben, dem Leben eines Holocaust-Überlebenden, zu erzählen. Die zu großen Teilen 16 bis 18 Jahre alten Schülerinnen und Schüler im Berufskolleg hörten gebannt zu, als Pfeil über seinen Werdegang berichtete.
Pfeils Familie wurde 1940 deportiert
Zu Beginn der rund 90-minütigen Veranstaltung mit Pfeil und dessen Neffen Sacha Höhn ging es um die Deportation der Familie 1940. Die Gestapo sei damals in die Wohnung seines Vaters gekommen, erzählt Pfeil und habe ihn darüber informiert, dass die Familie „evakuiert“ werden müsse – inklusive Versprechen, am neuen Wohnort Häuser und Vieh zu erhalten. Sein Vater habe dies geglaubt. Allerdings ging es dann, einige Jahre vor Pfeils Geburt, für dessen Eltern und seine sieben Geschwister über die Sammelstelle Köln nach Polen, dort sei die Familie daraufhin fünfeinhalb Jahren inhaftiert gewesen.
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Einen ersten Eindruck, welches Ausmaß das von Pfeil Geschilderte haben wird, bekamen die Schülerinnen und Schüler, als der 82-Jährige erzählt, was mit den weiteren Sinti und Roma passierte, die nicht wie Pfeils direkte Familie im zweiten Zug, sondern im ersten Zug saßen. Sie, so schildert Pfeil, seien daraufhin alle in Auschwitz vergast worden.
Allerdings geht es längst nicht nur um die Zeit bis Ende des Zweiten Weltkriegs, sondern auch die Folgen – bis heute. Pfeil beschreibt etwa, wie seine mittlerweile 96 Jahre alte Schwester noch vor kurzer Zeit von einem Auschwitz-Besuch abraten wollte. Die Emotionen, die das Erlebte auch nach rund acht Jahrzehnten bei den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen auslöst, seien weiterhin enorm.
Direkt nach den jahrelangen Inhaftierungen sei seine Familie „gesundheitlich ruiniert“ gewesen, erklärt Pfeil, an den Folgen seien auch Geschwister und die Mutter des Holocaust-Überlebenden gestorben. Dennoch ging es für ihn und seinen Vater dann zurück nach Deutschland. Pfeils Vater habe dabei immer betont, dass das Land trotz des Holocausts die Heimat der Familie sei.
Als Sohn versuchte er nach Kräften, seinem Vater in der Resozialisation zu helfen – wurde mit seiner Familie aber immer wieder Opfer von Angriffen in seiner Heimatstadt Trier. Anfang der 90er-Jahre wurde das Lokal, das er über Jahre betrieb, mehrfach angegriffen. Nach einem erneuten Angriff sei „nichts mehr zu retten“ gewesen, stattdessen wuchs seine Angst.
Die aktuelle Situation bereitet mir viele Sorgen und Angst
Mehr als 30 Jahre später ist Pfeil, auch im hohen Alter, immer wieder unterwegs – gerade der Kontakt, um Schülerinnen und Schüler Erlebnisse aus erster Hand zu schildern, sei ihm wichtig. „Es ist meine Pflicht“, betont der 82-Jährige, als einer der noch dazu fähigen Holocaust-Überlebenden den Austausch zu suchen.
Das liegt auch an der politischen Entwicklung in Europa. Pfeils Neffe Höhn zählt einige europäische Staaten auf, die derzeitig von rechten Parteien regiert werden. Sein Onkel fügt hinzu: „Die aktuelle Situation bereitet mir viele Sorgen und Angst.“ Und wenn die AfD in Deutschland zur Regierungspartei wird? Auch auf das Szenario geht Pfeil ein – seine Reaktion: „Dann Gnade uns Gott.“
Nach 90 Minuten, in denen die Schülerinnen und Schüler des Berufskollegs in Opladen, Pfeils Schilderungen aufmerksam folgten, gibt es stehende Ovationen für Pfeil – allerdings nicht nur für seine Zeit am Mittwochmittag in Leverkusen, sondern auch für sein Lebenswerk. Für das Berufskolleg endet mit der Veranstaltung aber keineswegs der Versuch, aufzuklären und zu informieren – bereits seit mehreren Jahren gibt es regelmäßige Fahrten ins einstige Konzentrationslager in Auschwitz.

