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Reduzierter Aufwand beim GrabBestattungskultur in Rhein-Sieg ist im Wandel – Grabschmuck wird weniger

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Zu Allerheiligen und Allerseelen wird mit Grabschmuck oft der Toten gedacht.

Zu Allerheiligen und Allerseelen wird mit Grabschmuck oft der Toten gedacht.

Schmücken Angehörige zu Allerheiligen und Allerseelen immer noch das Grab ihrer Lieben mit neuen Pflanzen? Wir haben bei Blumengeschäften nachgefragt.

Es ist die Woche vor Allerheiligen, dem 1. November, einem christlichen Hochfest, das auch in Deutschland ein stiller Feiertag ist. Die Tage in dieser Zeit werden dunkler, grauer. Und einige machen sich Gedanken, wie sie ihren Liebsten gedenken können, die nicht mehr leben. An Allerheiligen und vor allem auch am Tag darauf, dem 2. November, an Allerseelen, wird der Toten gedacht.

Damit verbunden ist der Brauch, die Gräber mit Lichtern und besonderem Grabschmuck zu gestalten. Doch ist das angesichts der gesellschaftlichen Veränderung in puncto Grabpflege immer noch so? Wir haben nachgefragt.

Geschäft mit Grabschmuck habe sich verändert, sagen Händler

„Die Bestattungskultur hat sich in den vergangenen Jahren verändert“, sagt Stephan Zündorf, Geschäftsführer von Blumen Zündorf aus Troisdorf-Sieglar, das es bereits seit 1972 gibt. Das Geschäft mit Grabschmuck habe nicht rapide abgenommen oder sei eingebrochen. Es sei anders geworden.

Stephan Zündorf, Geschäftsführer des Traditionsunternehmens Blumen Zündorf  aus Sieglar.

Stephan Zündorf, Geschäftsführer des Traditionsunternehmens Blumen Zündorf aus Sieglar.

Die Kunden fragten eher nach kleineren Gestecken oder bepflanzten Arrangements. „Das liegt sicherlich auch daran, dass es immer mehr Urnengräber gibt.“ Der Trend bei den Pflanzen seien weiterhin das Heidekraut Erica, Stiefmütterchen oder Hornveilchen. 

Blumen Zündorf betreut Gräber auf allen neun Troisdorfer Friedhöfen. Stephan Zündorf spricht von 700 Gräbern, die er mit seinen Mitarbeitenden betreut. Erschreckend finde er mittlerweile, dass immer mehr auf Friedhöfen gestohlen werde. „Und es werden nur die hochwertigen Pflanzen ausgebuddelt oder die teuren Gestecke mitgenommen.“

Ueckerseifer in Rosbach: Allerheiligen-Geschäft auf 15 Prozent geschrumpft

Wenn vor 20 oder 25 Jahren das Geschäft an Allerheiligen noch bei 100 Prozent lag, ist es bis heute auf rund 15 Prozent geschrumpft. So lautet die Einschätzung von Andreas Ueckerseifer, Inhaber der Gartenbaumschule Ueckerseifer aus Rosbach.

Der Trend, offene Grabflächen zum 1. November zu bepflanzen, sei vorbei. „Es gibt viel mehr Urnengräber, oder die Menschen machen sich mit Steinen oder Platten die Pflege leichter“, sagt er. Außerdem hielten sich im Gegensatz zu früher die Sommerblumen viel länger.  

Kleinere Arrangements liegen eher im Trend.

Kleinere Arrangements liegen eher im Trend.

Trotz der geringen Bevölkerung von rund 20.000 Einwohnern gibt es in Windeck rund 15 Friedhöfe. Die meist kleineren Einrichtungen werden in neun Fällen gemeinnützig von einem Verein betreut. Dazu kommen zwei Friedhöfe der katholischen Kirche in Dattenfeld und Rosbach sowie die kommunalen Friedhöfe Leuscheid, Dattenfeld, Stromberg und Herchen.

„Wir können zum Beispiel durch die weiten Entfernungen der relativ kleinen Anlagen im Gegensatz zu großen Friedhöfen in den Städten keine Dauergrabpflege anbieten. Das lohnt wirtschaftlich nicht“, erläutert Ueckerseifer.

Lohmarerin möchte Bestattungskultur hochhalten

Die Bestattungskultur hochhalten möchte die gelernte Floristin Angela Engelke. Die Lohmarerin pflegt nebenberuflich Gräber, weil ihr aktueller Broterwerb, Lautsprecher zusammenzubauen, ihr „zu trocken“ ist, erzählt die 50-Jährige. Vor allem ältere Leute buchten ihre Dienste, die Grabstellen im Frühjahr, Sommer und Spätherbst neu zu gestalten, auch zum Geburtstag und zum Todestag.

Damit es sich lohne, werde sie ausschließlich im engeren Umkreis von bis zu 20 Fahrminuten und mit Jahresvertrag tätig: „Niemand muss sich bei mir 25 Jahre binden.“ Die Grabpflege habe ihr gefehlt, daher das noch recht frische Kleingewerbe. Angela Engelke hat die Entwicklung zur Urnenbestattung indes im Blick, die kleineren Gräber bräuchten natürlich weniger Pflege, die Urnenwände gar keine.

Bei der Grabpflege geht es vor allem um die Wünsche der Hinterbliebenen.
Angestellte in einem Siegburger Blumenladen an einem Friedhof

Auf Reisen sehe sie sich immer die Friedhöfe an, in Griechenland und Italien beispielsweise gebe es fast nur noch Platten auf den Gräbern mit Blumen aus Stoff oder Keramik. Besondere Beispiele der Bestattungskultur beschreibt die Floristin auf ihrer Internetseite, wie den Budapester oder den „lachenden“ Friedhof in Rumänien. 

Die sich wandelnde Friedhofskultur sieht auch Claudia S., die ihren Namen nicht vollständig in der Zeitung lesen möchte. Die Angestellte bei einem Blumengeschäft in Siegburg in der Nähe eines Friedhofs musste diesem Wandel bereits ihre halbe Arbeitsstelle opfern. „Ich liebe diese Arbeit eigentlich, und ich liebe die Leute, die hier immer kaufen kommen.“ Aber aufgrund der Einbrüche habe sie mit der Geschäftsführung ausgemacht, ihre Stelle zu halbieren – damit sie überhaupt dort weiterarbeiten könne.

Ein Strauß rosa Blumen steht in einer Vase auf einem Grab, daneben Stiefmütterchen.

Viele Leute wollen nur wenige Aufwand mit Grabschmuck haben, sagt eine Siegburger Blumenhändlerin.

Vor Allerheiligen sehe sie immer einen kleinen Auftrieb bei den Verkäufen für Grabschmuck. Vor allem Gestecke seien dann gefragt. „Aber es kommt mir auch so vor, als falle den Leuten das spontan ein, dass sie ja noch etwas fürs Grab brauchen, da steckt nicht mehr viel Aufwand dahinter“, sagt sie. Bei der Grabpflege gehe es heute vor allem um die Wünsche der Hinterbliebenen. „Sie sollen möglichst wenig Aufwand haben. Das Gedenken der Toten ist nicht vorrangig.“ Aufgrund der zunehmenden Zahl der Urnengräber werde nicht mehr so viel Pflanzschmuck bestellt. 

Zwar forderten viele Menschen bei Trauerfeiern nur noch Spenden und keine Blumen mehr, sagt Claudia S., „aber warum Blumen komplett ablehnen?“ So glücklich seien die Menschen dann doch nicht damit, weiß sie zu berichten. „Nach der Trauerfeier für ihren Mann kam eine Witwe einmal in den Laden. Sie hatte auch keine Blumenspenden gewollt. Und dann sagte sie: ‚Das sah alles so trist aus‘. Da hat sie doch noch eine Pflanzschale für das Grab gekauft.“