Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Interview

Ex-FC-Trainer Linßen
„Friedhelm Funkel wirkt offenbar auf alle beruhigend“

Lesezeit 4 Minuten
Hannes Linßen

Kölner Fußball-Legende Hannes Linßen

Die Kölner Fußball-Legende Hannes Linßen über hochgesteckte Ansprüche des 1. FC, die Anhänglichkeit der Fans und Veränderungen im Fußball.

Herr Linßen, am Sonntag spielt ihr einstiger Arbeitgeber, der 1. FC Köln, gegen den 1. FC Kaiserslautern um den Aufstieg in die Bundesliga. Ein Punkt fehlt noch zum Erreichen des Ziels. Erinnert Sie das an etwas?

Ja. Im Mai 1991 konnten wir vor dem letzten Bundesliga-Spiel der Saison noch den Uefa-Pokal erreichen. Ich war beim FC Co-Trainer unter Erich Rutemöller. Der Gegner im Müngersdorfer Stadion heißt 1. FC Kaiserslautern. Wir verlieren das Spiel 2:6. Kaiserslautern wird Deutscher Meister. Wir verlieren eine Woche später dann auch noch das DFB-Pokal-Finale in Berlin gegen Werder Bremen im Elfmeterschießen und verpassen das internationale Geschäft. Das ist meine Erinnerung an letzte Heimspiele gegen Kaiserslautern.

Sie waren als Spieler und Trainer schon eine Ikone von Fortuna Köln, bevor Sie 1990 als gedachter Co-Trainer des dann vor Beginn der Vorbereitung entlassenen Christoph Daum zum 1. FC Köln wechselten. Welche Rolle spielt der große Verein der Stadt in Ihrem Gefühlsleben heute?

Fortuna und FC waren und sind überhaupt nicht miteinander zu vergleichen. Fortuna war ein Zweitligist mit Tradition und dem einzigartigen Mäzen Jean Löring. Wir Ehemaligen aus dieser Zeit treffen uns heute noch zweimal im Jahr. Der FC war dagegen ein stolzer Spitzenverein der Bundesliga. Ein Beispiel: Die Kölner Nationalspieler um Pierre Littbarski kommen als Weltmeister 1990 ans Geißbockheim zurück. Wie immer bei der Saisoneröffnung sind rund 10.000 Fans da. Und dann ruft Kapitän Litti ins Mikrofon den Leuten zu: „Wir versprechen euch die Deutsche Meisterschaft!“ Erich Rutemöller und ich als sein Assistent fallen beinahe in Ohnmacht. Der Anspruch an sich selbst war beim FC damals unglaublich hoch.

Wofür stand der 1. FC Köln für Sie damals?

Der 1. FC Köln stand nicht nur für Gewinnen-Wollen, er stand für schönen, attraktiven Fußball. Ich erinnere mich an eine Partie in meiner Zeit beim MSV Duisburg, da spielte ich gegen Heinz Flohe, den besten Spieler, gegen den ich jemals direkt gespielt habe. Der hat Kringel mit mir gedreht. Es war unglaublich. Als ich Manager beim FC wurde, wollte ich auch, dass wir nicht nur gewinnen, sondern schönen Fußball spielen. Und in der Aufstiegssaison 1999/2000 haben wir mit Ewald Lienen als Trainer so gespielt. Wir haben die Gegner teilweise aus dem Stadion geschossen. In meiner Erinnerung war das bis dahin die beste Saison einer Mannschaft in der Zweitligageschichte.

War für Sie als Architekt des ersten Aufstiegs damals auch nur im Ansatz vorherzusehen, dass der Verein 25 turbulente Jahre später wieder vor der Rückkehr in die Bundesliga stehen und die Liebe und Faszination der Massen größer sein würde denn je?

Als ich hier 1998 Manager wurde, war Bernd Schuster Trainer, und die Zuschauerzahlen gingen ständig zurück. Im Etat für die Saison 1999/2000 haben wir mit 13.000 Zuschauern geplant. Und weil wir dann so gut spielten, hatten wir am Ende einen Schnitt von 30.000. Aber die Zuschauerzahlen haben sich insgesamt, im ganzen deutschen Fußball, total verändert. Die Stadien sind fast überall immer voll. Damals undenkbar. Und natürlich dachten wir nach dem Aufstieg 2000, dass hier etwas langfristig entsteht.

Wie ist ihr aktueller Bezug zum modernen Fußball?

Momentan bin ich kaum noch in Stadien, aber vor einem Monat habe ich mir aus Neugier ein FC-Training am Geißbockheim angeschaut. Es hatte keine Ähnlichkeit mehr mit einem Training, wie ich es aus vier Jahrzehnten aktivem Fußball kannte. Erst einmal sind da unheimlich viele Trainer auf dem Platz. Ich dachte: „Was machen die denn alle hier?“ Früher waren es der Cheftrainer und der Assistent. Und in meiner FC-Zeit Torwarttrainer Rolf Herings, der aber nicht jeden Tag da war. Erstaunlich ist auch: In der modernen Spielform neulich erinnerten mich alle an Jamal Musiala, dieser Bewegungsablauf im Dribbling, so etwas wurde intensiv trainiert. Permanent lag der Ball in einem kleinen Feld im Tor. Aber auf die Stellungsfehler, die dauernd passierten, hat keiner geachtet. Und es war überhaupt nicht ersichtlich, wer ein Führungsspieler war und wer nicht. Das ist alles ganz anders als zu unserer Zeit.

Erzählen Sie, wie es damals war!

Mit 16 durfte ich als Spieler des TuS Wachtendonk ein Probetraining bei Borussia Mönchengladbach absolvieren. Hennes Weisweiler war Trainer, Günter Netzer war Kapitän und Nationalspieler Berti Vogts, später Weltmeister und Bundestrainer, war Chef beim Training. Er war Vorbild in puncto Einsatz, und sein Wort galt wie das des Trainers, der das vermutlich bewusst zugelassen hat. Alle waren extrem diszipliniert und ernsthaft. Außer Günter Netzer. Der war freischaffender Künstler. Es war immer klar, wer Führungsspieler war.

Ist es nicht lustig, dass ein Mann aus dieser Zeit, Friedhelm Funkel mit seinen 71 Jahren, zwei Spieltage vor Schluss vom FC verpflichtet wurde, um den Aufstieg 2025 sozusagen über die Ziellinie zu bringen?

Ich kenne Friedhelm Funkel natürlich, es wäre aber zu viel gesagt, dass wir eine persönliche Beziehung haben. Er erreicht die Mannschaften sehr gut, hat eine klare, einfache Ansprache und wirkt offenbar auf alle beruhigend. Er hat sich seinen Status total verdient. Als ich 2002 beim FC als Manager meinen Hut genommen habe, habe ich Präsident Albert Caspers zwei Tipps gegeben: Andreas Rettig als meinen Nachfolger zu verpflichten und Friedhelm Funkel, der damals längst nicht das Standing hatte wie heute, als neuen Trainer. Beides ist so gekommen. Ob mein Rat entscheidend war, kann ich natürlich nicht beweisen.


Zur Person

Hannes Linßen (74) wirkte als Spieler und Trainer über mehr als zwei Jahrzehnte für Fortuna Köln. Für den 1. FC Köln war er von 1990 bis 1993 Co-Trainer und von 1998 bis 2002 geschäftsführender Manager. (fan)