Es gibt neue Aussagen im Prozess um den „Kölner Drogenkrieg“: Eine 36-Jährige wurde zusammen mit ihrem Freund über Stunden gefangen gehalten.
„Es war erniedrigend“Vierfache Mutter in Kölner Villa verschleppt – drastische Aussage vor Gericht

In dieser Villa in Rodenkirchen wurde das Paar aus dem Ruhrgebiet festgehalten.
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Mit drastischen Worten hat am Freitag auch das zweite Entführungsopfer aus der Rodenkirchener Villa ein wahres Martyrium beschrieben. Die 36-jährige Essenerin wurde mit ihrem damaligen Freund nach Köln entführt und über Stunden schwer misshandelt. Die mutmaßlichen Täter: Mitglieder einer Kalker Drogenbande und Gehilfen aus den Niederlanden. Die Geiselnehmer wollten laut Staatsanwaltschaft Informationen zum Verbleib von 350 Kilogramm gestohlenem Marihuana.
Köln: „Goldpate“ soll Pärchen in die Falle gelockt haben
Als die Zeugin beim laufenden Prozess in Saal 23 des Kölner Landgerichts den Beginn der Entführung im vergangenen Juni schilderte, schossen ihr Tränen in die Augen. Man habe sie und ihren Lebensgefährten in einem Industriegebiet in Bochum in einen weißen Transporter gestoßen, eine Horde von Männern hätten sie mit Pistolen bedroht. Darunter der „Goldpate“, der sich mit einer goldenen Waffe brüstete. Es handelte sich um einen Bekannten, der sie in die Falle gelockt habe.

Der Angeklagte Botan I. mit seiner Verteidigerin Julia Stab beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht
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Die Täter hätten sie gefesselt, dann sei der Transporter losgerast. „Wir sind immer hin und hergeflogen“, so beschrieb es die Zeugin. Immer wieder seien sie bedroht worden. „Ein Mann hat eine Axt genommen und er tat so, als wollte er meinem Freund die Beine abhacken“, sagte die 36-Jährige. „Ich bin dann auf den draufgesprungen.“ Zigaretten seien auf dem Körper ihres Freundes ausgedrückt worden. Vor lauter Angst habe sie gerufen, dass sie schwanger sei – was aber nicht stimmte.
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Köln: Geiseln aus Villa mussten sich ausziehen
Wohin die Fahrt ging, habe sie nicht gewusst. „Die haben was von Frankreich erzählt“, so die Zeugin. Doch das Paar landete schließlich in einem Keller eines großen Wohnhauses in Köln. „Ich saß dann in der Ecke eines Heizungsraumes“, sagte die Frau. Sie habe Schreie ihres Freundes aus dem Nachbarraum gehört, später durfte sie zu ihm und habe eine große Wunde am Kopf und viel Blut gesehen. Beide Geiseln mussten sich ausziehen – die Frau durfte nur Slip und BH anbehalten.
„Wurde ihnen auch sexuelle Gewalt angetan?“, fragte der Vorsitzende Richter Alexander Fühling. Nicht direkt, so die Antwort. Die Geiselnehmer hätten sie allerdings auf die Toilette begleitet und bei der Verrichtung ihrer Notdurft beobachtet. „Das war sehr erniedrigend“, berichtete die 36-Jährige. Ihr sei auch gedroht worden, ins spanische Marbella verschleppt zu werden. Später habe sie realisiert, dass sie dort nach dem Willen der Täter womöglich der Prostitution hätte nachgehen sollen.
Köln: Missverständnis führte offenbar zu Geiselnahme
Als sie nach vielen Stunden plötzlich eine Explosion und Rauch wahrgenommen habe, da habe sie mit ihrem baldigen Tod gerechnet. „Ich dachte, jetzt vergasen sie uns vielleicht“, sagte die Zeugin. Doch die Geräusche stammten von Blendgranaten der Polizei – SEK-Beamte befreiten die Geiseln nach dem Hinweis eines geflüchteten Mittäters. Zwei in der Villa verbliebene Täter hätten sich in der Situation ebenfalls als Opfer ausgegeben. „Ich habe dann auf die gezeigt und gesagt: Die waren das“, sagte die Zeugin. Die Männer wurden festgenommen.
Ermittlungen zeigten, dass das Paar an einem Marihuanaraub aus einer Lagerhalle in Hürth – der Ursprung des „Kölner Drogenkrieges“ – offenbar nicht beteiligt war. Allerdings, so räumte es der Mann bei seiner Vernehmung ein, habe es Vermittlungsversuche zu einem Dealer gegeben – was offenbar zu Missverständnissen führte. Während der Geiselnahme kontaktierten die Täter den Bruder der männlichen Geisel mit verstörenden Videoanrufen – auch dieser konnte keine Informationen liefern.
Köln: Videos der Geiselnahme kursieren im Internet
Bis heute leide sie darunter, dass Videos der Geiselnahme im Netz kursierten, sagte die Essenerin aus. Aufnahmen zeigen sie spärlich bekleidet auf einem Stuhl sitzend, am Boden kauert der nackte Freund. „Meine Kinder sehen das bei Tiktok“, so die vierfache Mutter. Ihre Familie sei zerstört. Die kleinen Kinder seien ihr weggenommen worden, erst vor wenigen Wochen habe sie ihre sechsjährige Tochter sehen dürfen. Von ihrem Freund sei sie inzwischen getrennt: „Ich bin nicht mehr fähig eine Beziehung zu führen.“
Der aktuelle Prozess richtet sich nicht gegen einen der Geiselnehmer. Dem Angeklagten Botan I. wird aber Beihilfe vorgeworfen, da er den Tätern Unterschlupf in seiner Wohnung gewährt habe. Auch seien bei ihm Waffen gefunden worden. Am Landgericht laufen in dem Komplex noch zwei weitere Prozesse. Hier geht es um den eigentlichen Drogenraub. Ermittelt wird insgesamt gegen etwa 40 Beschuldigte. Jüngst hat die Staatsanwaltschaft zwei neue Anklagen zum Landgericht erhoben.