Erster Prozesstag gegen einen mutmaßlichen Brandstifter.
Prozess nach BrandstiftungIraker fühlte sich in Kerpen verfolgt

Vor dem Landgericht startete der Prozess gegen einen Iraker.
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Die Stimmen, die der Mann hörte, kündigten ihm den Tod an. Er glaubte, es seien seine Nachbarn, die er für islamistisch hielt, die ihm nach dem Leben trachten. Und der 37-Jährige, der vor acht Jahren aus dem Irak geflohen war, hatte panische Angst. Er vermutete, dass überall in der Wohnung, die er mit seinem jüngeren Bruder in der städtischen Unterkunft an der Heerstraße teilte, Kameras versteckt seien.
Um sie zu vernichten, soll er am 4. Oktober 2024 zu einem Grillanzünder gegriffen und die eigene Bleibe in Brand gesetzt haben. Unmittelbar danach alarmierte er selbst die Rettungskräfte. Bereits zum Prozessauftakt vor dem Landgericht lag eine eindeutige Diagnose vor: paranoide Schizophrenie.
Angeklagter schuldunfährig?
Somit soll der Mann die schwere Brandstiftung im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben. Daher muss die 19. Große Strafkammer über die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus statt in einer Haftanstalt entscheiden. Als „ehrlich und einsichtig“ beurteilte der Erstgutachter der Betreuungsbehörde den Beschuldigten.
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Der 37-Jährige hinterließ beim Prozessauftakt einen kooperativen Eindruck. Vor acht Jahren war er nach Deutschland geflohen, hatte schnell Deutsch gelernt und jede Arbeit angenommen, die sich ihm bot. Obwohl er in seiner Heimat einen dem Abitur vergleichbaren Schulabschluss erworben und eine Ausbildung zum Arzthelfer absolviert hatte.
Angsteinflößende Stimmen gehört
Die angsteinflößenden Stimmen will er erstmals nach dem Tod seines Vaters 2021 vernommen haben. Um sie zum Verstummen zu bringen, leerte er manchmal eine Flasche Wodka oder Whisky. So auch am 29. April 2024, als er bei der Polizeidienststelle in Erftstadt anrief und drohte: „Ich werde heute alle Christen töten, ab jetzt bin ich Terrorist.“ Auslöser soll ein Brief gewesen sein, in dem seine bevorstehende Abschiebung mitgeteilt wurde.
Er sei betrunken gewesen, begründete der Beschuldigte die Vortäuschung einer Amokabsicht. Von der Polizei habe er sich erhofft, dass sie ihm helfe, seine im Irak verbliebene Mutter und einige Geschwister nach Deutschland zu holen: „Die Häuser meiner Familie sind zerstört, sie leben seitdem in Zelten.“
Ob er sich bewusst gewesen sei, dass durch die Brandstiftung Menschen verletzt oder sogar getötet hätte werden können, wollte die Vorsitzende Richterin Bettina Schattow wissen. Ja, aber der Bruder sei zu den Schwestern in Norddeutschland gereist, die Nachbarn in der Unterkunft an dem Nachmittag nicht im Haus gewesen, erklärte der Beschuldigte. Das Feuer verursachte einen Sachschaden von 120 000 Euro. Die Wohnung soll noch nicht wieder belegbar sein. Der Prozess wird fortgesetzt.