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Interview

Ex-Gladbacher Jansen
„Der 1. FC Köln macht das derzeit richtig gut“

8 min
Poland v Germany - Legendy Na Slaskim Marcell Jansen and Lukas Podolski warm up before the Legendy na Slaskim, a friendly football match between legends of Poland and Germany in Chorzow, Poland, on October 12, 2025. The exhibition game at Silesian Stadium features former players from both national teams. Chorzow Poland PUBLICATIONxNOTxINxFRA Copyright: xMarcinxGolbax originalFilename:golba-legendyn251012_npHCr.jpg

Der Ex-Gladbacher Marcell Jansen (l.) und der Ex-Kölner Lukas Podolski während eines Legendspiels Mitte Oktober 2025 in Katowice, Polen

Der frühere Nationalspieler Marcell Jansen spricht über das Derby, FC-Jungstar Said El Mala, Borussia-Kumpel Eugen Polanski und seine Pläne.

Marcell Jansen hat am Dienstag im Familienkreis im Rheinland seinen runden Geburtstag gefeiert. Doch mit gerade einmal 40 Jahren hat der gebürtige Mönchengladbacher schon ungemein viel im Profi-Fußball erlebt.

Der Linksverteidiger begann seine Karriere in der Jugend von Borussia Mönchengladbach, wo er auch 2004 sein Profidebüt gab. Nach drei erfolgreichen Jahren wechselte der Linksverteidiger 2007 zum FC Bayern und wurde Meister. Ein Jahr später zog es ihn zum Hamburger SV, für den er bis zum Karriereende 2015 spielte. Jansen absolvierte 45 Länderspiele, nahm an der WM 2006, der EM 2008 sowie der WM 2010 teil. Nach der Karriere widmete er sich verstärkt unternehmerischen Projekten. Von Januar 2019, da war er gerade mal 33 Jahre alt, bis Juni 2025 war Jansen Präsident des HSV, zudem gehörte er von 2018 bis 2024 dem Aufsichtsrat der HSV Fußball AG an, zeitweilig als Vorsitzender des Gremiums.

Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ spricht Ex-Borusse Jansen über das Derby gegen den FC und frühere Duelle zwischen den Erzrivalen, die Entwicklung beider Klubs, Vergleiche zwischen FC-Jungstar Said El Mala und Köln-Legende Podolski, Gladbachs derzeitigem Trainer Eugen Polanski, den er seit der Kindheit kennt, Kölns Präsident Jörn Stobbe und seine Pläne.

Herr Jansen, Sie sind gebürtiger Mönchengladbacher, haben 14 Jahre für die Borussia gespielt – aber seit 2007 sind Sie weg vom Klub. Wie sehr fiebern Sie noch mit, wenn das Derby gegen den 1. FC Köln ansteht?

Marcell Jansen: Es ist einfach großartig, dass es das Derby wieder in der Bundesliga gibt. Es weckt sofort die Erinnerungen an meine eigene Vergangenheit. Schon als Kind in der E-Jugend hatten wir Derbys gegen den FC – damals zum Beispiel gegen Lukas Sinkiewicz und natürlich Lukas Podolski, mit denen ich heute noch Kontakt habe. Ich erinnere mich besonders an ein Spiel, das wir als E-Jugend vor einem Bundesligaspiel am Bökelberg austragen durften. 15.000 Zuschauer waren schon da, wir haben hoch gewonnen – ich glaube, ich habe drei oder vier Tore gemacht. Das vergisst man nie. Auch als Profi waren die Derbys immer etwas Besonderes, da war Leben drin. Fußball, wie er sein sollte.

Wie schätzen Sie die Ausgangslage der beiden Teams vor dem Derby ein?

Die ist dieses Jahr extrem spannend. Borussia hat mit dem Pokalsieg gegen Karlsruhe und dem 4:0 auf St. Pauli zwei wichtige Befreiungsschläge geschafft. Ich finde beeindruckend, wie ruhig und klar der Klub in dieser schwierigen Phase geblieben ist. Roland Virkus (trat Mitte Oktober als Geschäftsführer Sport zurück, d. Red.) hat Größe gezeigt, indem er Verantwortung übernommen und Druck von der Mannschaft genommen hat. Besonders freut mich, dass mein alter Weggefährte Eugen Polanski jetzt als Trainer an der Seitenlinie steht. Wir sind zusammen von der E-Jugend bis zu den Profis durchmarschiert, kennen uns also seit der Kindheit. Dass er nun die Chance bekommt, sich zu beweisen, ist großartig – und er macht das sehr gut. Mit Rouven Schröder (Sportchef, d. Red.) hat Gladbach zudem jemanden geholt, der große Erfahrung mit Traditionsvereinen hat. Deshalb mache ich mir keine allzu großen Sorgen: Das wird sportlich herausfordernd, aber Borussia ist wieder auf einem besseren Weg.

Besonders freut mich, dass mein alter Weggefährte Eugen Polanski jetzt an der Seitenlinie steht. Dass er nun die Chance bekommt, das ist großartig – und er macht das sehr gut.
Marcell Jansen über den derzeitigen Gladbacher Trainer

Steht der FC für Sie überraschend auf Platz sieben?

Der FC hat sich seine Punkte hart erarbeitet. Da wurde nichts geschenkt. Sie spielen unter Trainer Lukas Kwasniok erfrischenden Fußball, haben ihre Aufstiegseuphorie mitgenommen – das ist entscheidend. In der Kaderplanung hat der FC allem Anschein nach vieles richtig gemacht, Thomas Kessler (Sportdirektor, d. Red.) hat einen guten Job abgeliefert. Aber man weiß: In dieser Liga kann sich das Blatt schnell wenden, alles ist ungemein eng. Trotzdem macht der FC das richtig gut.

Mit was für einem Derby rechnen Sie?

Es hat eine noch größere Brisanz als ohnehin schon. Für beide Klubs geht es um viel. Der FC hat die riesige Gelegenheit, sich von Borussia und dem Tabellenkeller noch weiter abzusetzen. Gladbach steht deutlich mehr unter Druck, kann aber mit einem Sieg weiter aufschließen und den zarten Trend bestätigen. Ich erwarte ein lebhaftes Spiel. Der Borussia-Park wird beben, hoffentlich wird alles friedlich bleiben.

Beim FC sorgt gerade Said El Mala für Begeisterung und ist in aller Munde. Wie sehen Sie seine Entwicklung?

Ich finde das unglaublich erfrischend. Er ist jung, spielt mit Leichtigkeit, Instinkt und einer Natürlichkeit, die man heute selten sieht. Man merkt: Er denkt nicht lange nach, er macht einfach. Das ist Fußball in seiner reinen Form. Solche Typen begeistern die Menschen. Wichtig ist, dass El Mala ein stabiles Umfeld hat – Familie, Berater, Verein. Wenn das steht, wenn er gesund bleibt und weiter mit Freude spielt, kann er seinen Weg machen. Und das Umfeld beim FC scheint im Moment sehr gut, sehr unterstützend zu sein. Auch Trainer Lukas Kwasniok moderiert das überragend. Ich wünsche El Mala, dass er die Saison einfach nutzt, um konstant auf diesem Niveau zu spielen. Dann reden wir automatisch über den nächsten Schritt.

Said El Mala spielt mit Leichtigkeit, Instinkt und einer Natürlichkeit, die man heute selten sieht. Das ist Fußball in seiner reinen Form. Solche Typen begeistern die Menschen.
Jansen über den Kölner Jungstar

Ist dieser bereits die Nationalmannschaft?

Was mir in diesen Diskussionen manchmal zu kurz kommt, ist das Leistungsprinzip. Da wird viel über das Alter geredet – 18, 19, 20. Ich finde, das ist völlig egal. Ich habe mit 20 meine erste WM gespielt, meine ersten Länderspiele sogar noch früher, Lukas Podolski doch auch. In einem Wettbewerbsumfeld zählt nicht, wie alt du bist, sondern was du leistest. Im Ausland interessiert das auch niemanden. Also: warum nicht?

Viele vergleichen El Mala mit Köln-Legende Podolski. Berechtigt?

Der Vergleich liegt nahe – beide sind mutig, direkt, mit einer gewissen Frechheit und Unbekümmertheit. Aber Poldi bleibt natürlich einzigartig. Was ihn immer ausgezeichnet hat, war die Verbindung zwischen Instinkt und Emotion. Er war kein Spieler, der lange über Taktik philosophiert hat – er hat Fußball gefühlt. El Mala hat ähnliche Anlagen, aber er steht ganz am Anfang. Wenn er das Spielerische mit Disziplin verbindet und geduldig bleibt, könnte er vor einer großen Karriere stehen. Die Anlagen dafür hat er.

Sie haben kürzlich mit Podolski zusammengespielt – bei einem Legendenspiel in Polen.

Das war ein großartiges Erlebnis. Poldi ist mit 40 noch topfit, hat einen unglaublichen Willen und diese jugendliche Freude nie verloren. Er trainiert, als würde er noch jedes Wochenende Bundesliga spielen (lacht). Was mich beeindruckt: Er hat in seiner Heimat bei Górnik Zabrze nicht nur sportlich etwas bewegt, sondern auch gesellschaftlich. Er investiert in Infrastruktur, Nachwuchs, soziale Projekte. Das ist nicht nur Marketing – das ist Herzblut. Genauso kenne ich ihn. Und wenn er nach Köln zurückkommt, fühlt sich das immer so an, als wäre er nie weg gewesen.

Sie haben Ihre Profi-Karriere bereits mit 29 Jahren beendet. Rudi Völler kritisierte das seinerzeit mit der bekannten Aussage: „Wer sowas macht, hat den Fußball nie geliebt.“

Damit habe ich schon längst meinen Frieden geschlossen, das ist doch ein alter Hut (lacht). Ich habe mich bewusst für einen anderen Lebensweg entschieden und bin glücklich. Ich habe noch sechs Jahre in der fünftklassigen Oberliga Hamburg für den HSV gespielt – das war traumhaft. So viel zu meiner Liebe für den Fußball.

Ich habe Jörn Stobbe als sehr interessierten, bodenständigen Menschen erlebt. Er ist jemand, der nicht nur Fußball liebt, sondern sich auch für Strukturen und Strategien interessiert.
Jansen über den neuen FC-Präsidenten

Jörn Stobbe ist neuer FC-Präsident. Sie kennen ihn auch persönlich, da er sich während Ihrer Zeit als HSV-Präsident im Klub engagieren wollte – wie ist Ihr Eindruck?

Ja, ich kenne Jörn Stobbe schon länger, bereits aus seiner Zeit als FC-Aufsichtsrat. Ich habe ihn als sehr interessierten, bodenständigen Menschen erlebt. Er ist jemand, der nicht nur Fußball liebt, sondern sich auch für Strukturen und Strategien interessiert. Durch seinen beruflichen Background bringt er analytisches Denken und strategisches Verständnis mit, bleibt dabei aber immer menschlich und nahbar. Er hatte ja 2022 Kontakt zum HSV, da ging es aber insgesamt eher um strukturelle als um machtpolitische Fragen. Da wurde medial vieles heißer gekocht, als es war. Entscheidend ist: Jörn Stobbe hat eine hohe Präsenz, ein starkes Auftreten und kann Menschen mitnehmen. Vom Profil her bringt er alles mit, um den Klub in ruhiges Fahrwasser zu führen. Genau das braucht der Verein, erst recht ein Traditionsklub wie der FC: Stabilität, Ruhe, vor allem gute Governance (Unternehmungsführung, d. Red.). Dann kann sich auch sportlich das entfalten, was in Köln absolut möglich ist.

MONCHENGLADBACH, GERMANY - MARCH 10:  during the Bundesliga match between Borussia Monchengladbach and Hertha BSC Berlin at the Borussia Park on March 10, 2007 in Monchengladbach, Germany. (Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Marcell Jansen im März 2007 für Borussia Mönchengladbach am Ball. Insgesamt 14 Jahre lief er für seinen Heimatklub auf.

Der FC und der HSV haben sich klar gegen Investoren ausgesprochen. Kommt man so in einer total kommerzialisierten, globalisierten Sport-Welt wieder nach oben?

Letztlich geht es immer um die Balance: wirtschaftliche Stabilität, sportliche Wettbewerbsfähigkeit und Identität. Wenn das zusammenkommt, funktioniert ein Traditionsverein. Und ich glaube fest daran, dass ein Modell auch ohne Investoren oder Klub-Ownership Zukunft hat. Die Bundesliga funktioniert und boomt. Ich wünsche mir aber, dass bei Traditionsvereinen mit über 100.000 Mitgliedern mehr Repräsentanz reinkommt – und da natürlich vor allem bei Mitgliederversammlungen, bei denen wichtige Zukunfts-Entscheidungen getroffen werden.

Sie selbst sind seit dem Sommer nicht mehr HSV-Präsident. Sie sind gerade erst 40 geworden. Wie sieht Ihre persönliche Zukunft aus? Vermissen Sie den Klub oder die Rolle?

Natürlich bleibt da etwas. Nach sechs intensiven Jahren war das eine bewusste Entscheidung. Ich wollte das Kapitel ordentlich abschließen und den Übergang gestalten. Und das ist erfolgt, der HSV ist bestens für die Zukunft aufgestellt. Ich bin dankbar für diese Zeit. Jetzt habe ich wieder mehr Raum für mein Berufsleben und Privatleben. Mein Hauptfokus liegt in der Gesundheitsbranche. Mit meiner Firma unterstütze ich Menschen dabei, körperlich und mental fit zu bleiben – gerade in diesen unruhigen Zeiten. Das ist meine Leidenschaft.

Ich suche nicht aktiv nach einem Posten, aber wenn es irgendwann eine Rolle gäbe, in der ich meine Erfahrung einbringen kann, dann wäre das für mich reizvoll.
Jansen über eine mögliche Rückkehr zu Borussia Mönchengladbach

Ganz loslassen können Sie den Fußball aber wohl nicht, oder?

Das stimmt. Fußball bleibt ein Teil meines Lebens. Ich habe in 20 Jahren so viele Perspektiven erlebt: als Spieler, Präsident, Aufsichtsrat, Ehrenamtler. Dieses Wissen über Strukturen, Emotionen und Zusammenhänge ist ein Schatz. Wenn sich irgendwann die Möglichkeit ergibt, dieses Wissen wieder einzubringen – bei einem meiner Ex-Vereine – dann schließe ich das sicher nicht aus. Jetzt genieße ich es, wieder etwas freier zu sein.

Folglich können Sie sich auch eine Rückkehr zu Ihrem Heimatklub Borussia vorstellen?

Auf jeden Fall – unter bestimmten Voraussetzungen. Jeder, der mich kennt, weiß: Wenn ich etwas mache, dann mit Überzeugung und Unabhängigkeit. Ich suche nicht aktiv nach einem Posten, aber wenn es irgendwann eine Rolle gäbe, in der ich meine Erfahrung einbringen kann, dann wäre das für mich reizvoll. Ich habe bei Borussia das Fußballspielen gelernt, viele Freunde fürs Leben gefunden und viel gelernt, was mich geprägt hat. Das verbindet für immer. Meine Familie und meine Partnerin leben im Rheinland, meine beruflichen Aktivitäten sind aber teils in Hamburg. Wo wir uns dauerhaft niederlassen, ist noch offen, wir werden noch pendeln. Aber klar ist: Das Rheinland bleibt immer ein Stück Heimat für mich.