Martina Köstner und Andrea Detampel helfen in Familien und Kitas im Kreis Euskirchen, wenn es Probleme gibt.
Unbürokratische HilfeSie helfen Familien im Kreis Euskirchen, wenn es schwierig wird

Sie unterstützen Familien im Kreis Euskirchen: Andrea Detampel (v.l.), Martina Köstner und Martina Hilger-Mommer.
Copyright: Julia Reuß
Eltern kennen das: Das Kind will etwas, man sagt Nein und das Kind tut es trotzdem. Eine in vielen Familien alltägliche Situation, mit der man umzugehen lernt, meistens. Doch manchmal klappt es einfach nicht. Egal wie viele gut gemeinte Ratschläge von Freunden, aus Erziehungsratgebern oder von Unbekannten aus dem Internet man befolgt – die Situation verbessert sich nicht. Im Gegenteil: Sie wird für Eltern und Kind zur Belastung.
Hier kommen Martina Köstner und Andrea Detampel ins Spiel. Die beiden teilen sich die Stelle der Fachkraft Inklusion beim Kreis Euskirchen. Was etwas sperrig klingt und danach, als gehe es ausschließlich um Menschen mit einer Behinderung, ist ein niedrigschwelliges, kostenloses Hilfsangebot für Eltern und Kitas im gesamten Kreis.
Wir fahren durch den ganzen Kreis.
„Für uns reicht es, aktiv zu werden, wenn es irgendwo schwierig ist“, beschreibt Detampel ihren Einsatzbereich. Zum Beispiel dann, wenn das Kind partout kein Nein der Eltern akzeptiert. Das Beratungsangebot des Jugendamtes für Familien mit Kindern zwischen null und sechs Jahren gibt es seit 2020. Detampel und Köstner sind beide Pädagoginnen und Therapeutinnen. „Das Besondere ist, dass wir ausschließlich aufsuchend arbeiten. Wir fahren durch den ganzen Kreis“, berichtet Köstner.
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Dabei arbeiten sie mit den unterschiedlichsten Fällen. Manchmal geht es um Kinder mit einer Behinderung, manchmal um Kinder mit Entwicklungsverzögerungen, häufiger um Kinder mit sozial-emotionalen Herausforderungen. Damit Detampel oder Köstner kommen, genügt ein Anruf oder eine E-Mail. „Bei uns muss man keinen Antrag stellen“, sagt Detampel. Manchmal werden sie schon direkt nach der Geburt tätig, beispielsweise dann, wenn ein Kind mit einer Behinderung geboren wird.
Eltern stehen vor einem Urwald an Zuständigkeiten
In diesem Bereich arbeiteten sie eng mit den Lotsinnen der Frühen Hilfen zusammen, berichtet Köstner. Viele Eltern sehen sich in solchen Situationen mit einem Urwald an Zuständigkeiten konfrontiert. „Manche Familien sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr“, beschreibt es Köstner. Da können sie und ihre Kollegin beim Sortieren helfen. Das sei auch schon mal ganz pragmatisch, beispielsweise helfen sie beim Ausfüllen von Anträgen.
Und auch beim Warten. Bis ein Kind eine offizielle Diagnose habe, könne es sehr lange dauern. „Tatsächlich ist unsere Funktion auch, Wartezeiten auszuhalten“, sagt Köstner. Es komme ebenfalls vor, dass erst durch die Beratung ein diagnostischer Weg angestoßen werde, berichtet Detampel. „Wir nutzen die Zeit so, wie es für die Familien am sinnvollsten ist.“
Die absolute Mehrheit der Fälle haben eine schnelle Wirksamkeit.
Dafür begleiten die beiden die Familien über einen überschaubaren Zeitraum. Im Durchschnitt gebe es drei Kontakte, berichtet Köstner. Meist mit etwas Zeit dazwischen, um auch eine Veränderung beobachten zu können. „Die absolute Mehrheit der Fälle haben eine schnelle Wirksamkeit“, betont Detampel. Ab und an komme es auch vor, dass sie eine Familie länger begleiteten.
Aber nach fünf Terminen stellten sie sich grundsätzlich die Frage: „Sind wir noch die richtigen?“ Sie lassen die Familien dann aber nicht einfach mit ihren Herausforderungen allein, sondern verweisen an andere Unterstützungsmöglichkeiten der Jugendhilfe. Deshalb sei ein Netzwerk auf Fachkräfteebene enorm wichtig, betont Detampel. Und ganz grundsätzlich gilt auch in diesem Bereich: Lieber früher Hilfe suchen als später.
„Je weniger sich eine Situation verfestigt hat, desto höher ist die Wirksamkeit“, so Detampel weiter. Es brauche sich niemand zu fürchten, von ihnen abgewiesen zu werden, weil das Problem nicht gravierend genug sei, betonen sie und Köstner. Und nicht nur Eltern können sich an die Fachkräfte für Inklusion wenden, auch Kitas oder Kindertagespflegeeinrichtungen.
Wenn das Kind kein Nein akzeptiert
In diesen Fällen suchen Detampel und Köstner zunächst einmal das Gespräch mit Einrichtung und Eltern zusammen. Danach hospitieren sie nach Möglichkeit einen Tag in der jeweiligen Einrichtung und beobachten. Aus dieser Hubschrauber-Perspektive falle ihnen oft mehr auf als den pädagogischen Fachkräften der Einrichtung, die selbst mitten in der Situation steckten. Detampel und Köstner sehen sich als Vermittlerinnen.
Grundsätzlich gehe es bei ihrer Arbeit um die Frage: „Was will das Kind uns eigentlich mit seinem Verhalten sagen?“ Oft stehen hinter einem Verhalten größere Themen, berichten die beiden. Scham, der Umgang mit Geschwisterkindern, Einsamkeit, Armut oder Überforderung beispielsweise. Das aufzuarbeiten, sei auch für die Kitas und Familien mit Veränderung verbunden.
„Wir kommen und entlasten, aber wir lassen auch Arbeit da“, beschreibt es Detampel. Sie bleibt bei dem Beispiel des Kindes, das kein Nein der Eltern akzeptiert. In so einer Situation könne man sich anschauen, welche Grenzen das Kind denn respektiert, führt sie aus. Bleibt es an einer roten Ampel stehen? Falls ja, warum? Wie hat es das gelernt?
Mithilfe dieser Reflexion könne es gelingen, mit den Eltern neue Strategien zu entwickeln, wie das Kind lernen kann, auch andere Grenzen, zum Beispiel ein „Nein“, zu akzeptieren. Detampel und Köstner unterliegen bei ihrer Arbeit einer Schweigepflicht. Es gebe auch keine Akten und nur ganz wenig Dokumentation, betonen sie. Das ganze ist eben als ein unbürokratisches, niedrigschwelliges Unterstützungsangebot gedacht.
Zu Beginn seien sie hauptsächlich von Kitas und Kindertagespflegeeinrichtungen angesprochen worden, berichten die beiden Fachkräfte. Das habe sich inzwischen gedreht. Heute meldeten sich mehr Familien. Etwa 120 Beratungsfälle im Jahr verzeichnen Detampel und Köstner gemeinsam. Und beide gehen voll in ihrem Job auf. „Wir treffen ganz tolle Familien“, sagt Köstner, und Detampel fügt hinzu:„Das ist eine so sinnvolle Tätigkeit.“
Knapp vier Prozent der Kinder haben eine Behinderung
7949 Kinder wurden laut Martina Hilger-Mommer im auslaufenden Kindergartenjahr in den Kitas im Kreis Euskirchen betreut. 307 Kinder davon haben eine Behinderung, das entspreche 3,9 Prozent. „Wir haben Inklusion in allen Kitas“, sagt die Teamleiterin Kindertagesbetreuung, Jugendarbeit und Prävention beim Kreis Euskirchen. Kitas, in denen Kinder mit Behinderung betreut werden, bekommen zusätzliche Fachkraftstunden.
Wenn der Bedarf des Kindes so hoch sei, dass es eine Eins-zu-eins-Betreuung benötige, können die Familien beim LVR eine Kita-Assistenz beantragen. Grundsätzlich gehe es bei Inklusion darum, die Umwelt und nicht das Kind mit der Behinderung anzupassen. „Damit die Umwelt das Kind nicht mehr behindert“, sagt Hilger-Mommer. Die Jugendhilfe habe viele Unterstützungsangebote, die alle auch Familien mit Kindern mit Behinderung offen stehen, so die Teamleiterin weiter. Jedoch nehmen laut Hilger-Mommer nur wenige davon diese Angebote war.
Um herauszufinden, warum das so ist und was Familien mit Kindern mit einer Behinderung oder Entwicklungsverzögerung im Kreis Euskirchen wirklich benötigen, wollen sie und das Team der Frühen Hilfen mit ihnen in Kontakt treten. Dafür organisieren sie am Sonntag, 24. August, einen Familientag für Kinder zwischen null und sechs Jahren mit Behinderung oder Entwicklungsverzögerungen und ihre Familien.
Familientag findet am 24. August statt
Von 11 bis 17 Uhr wird es am Awo-Familien-Zentrum in Mechernich neben Essen und Trinken eine Sandküche und einen Mitmachzirkus geben. Hilger-Mommer geht es bei diesem Angebot auch darum, dass die Familien untereinander Kontakte knüpfen können. Einsamkeit sei oft ein großes Thema für Familien mit Kindern mit Behinderung. Scham und das Gefühl, anderen zur Last zu fallen, ihnen etwas zuzumuten, hinderten die Familien oft an gesellschaftlicher Teilhabe.
Hilger-Mommer hofft, dass dies beim Familientag anders wird. Denn dieser ist exklusiv für Familien, die ein Kind zwischen null und sechs Jahren mit einer Behinderung oder Entwicklungsverzögerungen haben. Der Familientag ist kostenlos. Eine Anmeldung ist erwünscht, aber nicht zwingend notwendig.