Obwohl viel Bargeld im Haus war, erhielt ein Paar aus einer Leverkusener Großfamilie Leistungen vom Sozialamt. Ein Gutachten gibt nun Klarheit über die Schuldfähigkeit der angeklagten Frau.
Leverkusener GroßfamilieAngeklagte verzichten auf Rolex, Goldketten und Brillantringe

Vor dem Saal 27 des Kölner Landgerichts ist ein Aushang zu sehen (Symbolbild).
Copyright: Ralf Krieger
Zwei Rolex-Uhren, das Modell „Dayjust“ für Damen und „Daydate“ Herren, zwei Ringe mit Brillanten, zwei Goldketten und 26.000 Euro in Scheinen hatte die Polizei bei der Razzia 2018 in der Wiesdorfer Wohnung eines der stadtbekannten Leverkusener Großfamilie angehörigen Paares entdeckt.
Am Dienstag, 7. Mai 2024, erklärten die beiden Angeklagten in der Verhandlung am Kölner Landgericht zugunsten der Staatskasse endgültig den Verzicht auf Bargeld, Uhren und Schmuck. Sie müssen, denn alles stammt aus illegalen Quellen oder war mit illegal erworbenem Geld gekauft.
Das Leverkusener Jobcenter belogen
Erst seit vier Monaten befindet sich der 45-jährige Angeklagte aus der Großfamilie in Freiheit. Nach der Verhandlung wegen Betrugs wird er wohl erneut ins Gefängnis kommen. Gemeinsam soll das Paar das Leverkusener Jobcenter um 168.000 Euro betrogen haben. Sie sollen ihre Heirat verheimlicht und vorgespiegelt haben, sie hätten keine Einkünfte gehabt. Nach der derzeitigen Beweislage stimmte das nicht.
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Der Sozialbetrug ist eine Masche, mit der immer wieder Familien Geld vom Jobcenter ergaunern. Der Fall der Großfamilie, bei der die Polizei in den vergangenen Jahren mit mehreren Razzien die wahren Familienverhältnisse erkundet und auch tatsächliche Hinweise aufs Vermögen gefunden hat, hat den ersten derartigen Prozess in diesem Umfang ermöglicht.
14 Fälle von Betrug sind in der Anklage aufgelistet. Alles ist jetzt dokumentiert: Wer wann wie viel Geld vom Jobcenter überwiesen bekam, was die Stadt für jedes der vier Kinder auszahlte. Das ging, weil das Paar früher nicht nach deutschem Recht, sondern nach Roma-Sitte verheiratet war und zeitweise nicht in einer Wohnung lebte.
Geld stammte aus krummen Geschäften
Die Vorsitzende Richterin Sabine Grobecker nimmt es genau, es sind Kleinigkeiten, aber die Dokumentation soll stimmen: Aus Jobcenter-Akten verliest sie am Dienstag, wie die Frau für jedes ihrer vier Kinder 30 Euro für Bildung nach dem Teilhabe- und Integrationsgesetz bewilligt bekam. Und wie die Übernahme einer Mieterhöhung der Wohnung in der Nobelstraße von 690 auf 793 Euro durch das Jobcenter anstandslos funktionierte. Auch dieses Geld wird womöglich zurückzuzahlen sein.
Das Ergebnis eines noch während der Verhandlung angefertigten Gutachtens zur psychischen Verfassung der Frau ergab: Sie ist schuldfähig. Das war nicht ganz klar, denn sie ist seit 2003 immer mal wieder in psychiatrischer Behandlung. Auch im Gerichtssaal scheint sie zu leiden. Zum Beispiel verbirgt sie das Gesicht hinter den Händen.
Der Gutachter sagte, es habe gute und schlechte Tage gegeben, aber sie habe grundsätzlich „funktioniert“ in der Zeit zwischen März 2014 und April 2019, in der die angeklagten Taten liegen. Genug Intelligenz, dass sie den Kern ihres illegalen Tuns erkannt haben musste, bescheinigte ihr der Gutachter auch. An der Schuldfähigkeit des Manns gab es nie einen Zweifel.
Der Prozess wird fortgesetzt.